Elfenzorn
Gesichtern oder Gesten der Männer abzulesen und dennoch so deutlich da war , dass sie es unmöglich ignorieren konnte.
Sie war mindestens ein halbes Dutzend Mal durch das Lager gegangen, ohne dass irgendetwas wirklich anders gewesen wäre, und hatte sich mindestens ebenso oft selbst davon zu überzeugen versucht, dass sie einfach nur nervös und frustriert war, und es kein einziges Mal geschafft. Irgendetwas ging vor, das wusste sie einfach; und nicht zu wissen, was es war, machte sie allmählich rasend.
Vielleicht lag es an der Nähe der Berge. Wenn auch nicht annähernd so schnell wie sie auf Flammenhufs Rücken, so hatte sich das vereinigte Heer der Schattenelben und der Maya dem Gebirge inzwischen doch weit genug genähert, um aus den verschwommenen Schemen am Horizont eine Mauer aus schneegekrönten Giganten werden zu lassen, die bis in den Himmel hinauf und noch weit darüber hinaus zu reichen schien. Hätte ihr jemand erzählt, dass diese Berge das Ende von allem darstellten und die Welt dahinter einfach aufhörte, dann hätte sie ihn zwar schallend ausgelacht (schon weil sie auf der anderen Seite gewesen war und wusste, wie es dort aussah), es tief im Inneren aber dennoch geglaubt.
An diesen Bergen war etwas ... Unheimliches. Sie konnte nicht einmal genau sagen, ob es ihr wirklich Angst machte oder ob sie nur glaubte, dass es Angst war, weil dieses Gefühl irgendetwas tief in ihr berührte und ihr so vollkommen fremd war, dass sie nichts damit anzufangen wusste.
Sie verscheuchte den Gedanken, riss sich mit mehr Mühe als erwartet vom Anblick der von ewigem Eis bedeckten Zwillingsgipfel über dem Dschungel los und überlegte, ob sie zum siebten Mal durch das Lager gehen und nach Anzeichen für etwas suchen sollte, das gar nicht da war, oder in ihr Zelt zurückkehren und sich wieder einmal Ixchels vorwurfsvollen Blicken stellen sollte – beziehungsweise denen ihrer beiden Dienerinnen, die diese Aufgabe in Ixchels Namen ganz hervorragend erfüllten.
Stattdessen führten sie ihre Schritte wieder ans andere Ende des Lagers und der improvisierten Trex-Koppel, wo sie Jesus zufinden gehofft hatte, aber nur ein Dutzend Elbenkrieger antraf. Sie waren damit beschäftigt, ihre bizarren Reittiere zu satteln und aufzuzäumen.
Pia war ein wenig erstaunt. Die Sonne war zwar noch nicht ganz untergegangen, berührte aber schon fast die Baumwipfel im Westen, und sie wusste ja, wie schnell die Dämmerung in diesem Teil des Landes hereinbrach und wie kurz sie war. Sie wusste auch, dass Ixchel und Landras übereingekommen waren, die Trexe nicht nach Dunkelwerden auf Patrouille zu schicken, sondern diese Aufgabe den Maya zu überlassen, die sich im Gegensatz zu diesen tonnenschweren Babydinosauriern auch bei Nacht vollkommen lautlos durch den Wald bewegen konnten.
Also hatte ihr Gefühl sie doch nicht getrogen. Irgendetwas war nicht so wie sonst.
Ohne viel Hoffnung auf eine Antwort winkte sie den erstbesten Krieger herbei und stellte ihm eine entsprechende Frage – und wurde auch nicht enttäuscht, denn der Krieger verbeugte sich zwar so tief, dass ihm eigentlich der Helm vom Kopf hätte fallen müssen, brabbelte aber nur eine Antwort, in der die Worte Erhabene und Prinzessin mindestens ein Dutzend Mal vorkamen und die ansonsten gar nichts bedeutete, und wandte sich dann wieder seinem geschuppten Pony zu.
»Rede ich so undeutlich?«, murmelte Pia eher verdutzt als ärgerlich. »He, Spitzohr, ich habe gefragt, was hier los ist!«
Der Schattenelb konzentrierte sich nur noch intensiver darauf, dem störrischen Trex das Zaumzeug über die stumpfe Schnauze zu streifen, aber hinter ihr sagte eine Stimme:
»Nehmt es ihnen nicht übel, Prinzessin. Ter Lion hat ihnen verboten, mit Euch zu reden.«
Pia fuhr auf dem Absatz herum und musste sich beherrschen, um nun nicht den weißhaarigen Elbenkrieger anzufahren, der hinter ihr aufgetaucht war. Stattdessen deutete sie ein mäßig freundliches Nicken an und fragte nur: »Warum?«
»Das weiß ich nicht, Prinzessin«, antwortete Farlan. »DieMänner verehren und lieben Euch, aber Schwert Torman selbst hat ihnen eingeschärft, Ter Lions Befehl über den Euren zu stellen, wenn es um Fragen Eurer Sicherheit geht.«
»Warum?«
»Das weiß ich nicht, Prinzessin«, antwortete Farlan. »Aber ich nehme an, weil Ter Lion für Eure Sicherheit verantwortlich ist.«
»Wie rührend«, sagte Pia. »Und lass mich raten: Aus demselben Grund wirst du mir auch nicht sagen, was hier los
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