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Elfenzorn

Elfenzorn

Titel: Elfenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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ein zerbröckelnder Torbogen aus Ziegelsteinen, der ihr wirklich sehr bekannt vorkam. Es war das Tor nach WeißWald. Dahinter war nur Dunkelheit zu erkennen, aber das war beim letzten Mal nicht anders gewesen.
    Sie machte einen zögernden Schritt, blieb noch einmal stehen und sah stirnrunzelnd auf ihre Stiefel hinab. »Irgendwelche Vorschläge?«, fragte sie.
    Sie bekam keine Antwort. Die Stiefel schwiegen beharrlich.
    »Darüber reden wir noch, Freunde«, versprach sie. Auch darauf bekam sie keine Antwort, musste aber über ihre eigenen Worte grinsen, schüttelte den Kopf und trat dann mit einem entschlossenen Schritt endgültig durch das Tor und in einen kleinen, mit Trümmern und Schutt und Unrat übersäten Innenhof. Zerbrochene Dachziegel knirschten unter ihren Füßen, und leere Fensterhöhlen starrten sie an wie vor tausend Jahren erloschene Augen. Wo Eis und verharschter Schnee sein sollten, erblickte sie nur Glasscherben und faulendes Holz. Es war nicht kalt, sondern warm, und der Sternenhimmel über ihr war derselbe, den sie in den letzten zwanzig Jahren gesehen hatte, wenn sie den Kopf in den Nacken gelegt und nach oben geblickt hatte. Sie war noch immer in Rio. Noch immer auf dieser Welt. Ihre Stiefel hattensie nicht im Stich gelassen. Das Tor auf die Elfeninsel hatte sich geschlossen … falls es jemals existiert hatte.
    Einen Moment lang erwog Pia diese Möglichkeit (und übrigens nicht zum ersten Mal) ganz ernsthaft: Was, wenn nichts von alldem wirklich passiert war? Vielleicht hatte sie sich ja alles nur eingebildet. Vielleicht hatte Hernandez sie ja erwischt. Vielleicht war sie ja kopfüber in diese verdammte Baugrube gestürzt und fantasierte sich diese ganze abgefahrene Geschichte nur zusammen. Was, wenn sie es war, die sterbend in irgendeiner Klinik lag, nur noch von einem Computer und einem Chemiecocktail in ihrem Kreislauf am Leben erhalten, deren einziger Zweck darin bestand, die Kassen der Krankenhausverwaltung mit jedem künstlich herbeigezwungenen Herzschlag noch ein bisschen weiter zu füllen?
    Wenn es so war, beantwortete sie ihre eigene Frage, dann hatte sie keine Möglichkeit, das festzustellen. So einfach war das.
    Fast schon verzweifelt sah sie sich um, suchte nach irgendeinem Beweis, irgendetwas, das greifbar und real genug war, um ihr zu beweisen, wo (und auch dass ) sie war, aber wie sollte dieser Beweis aussehen?
    Nach einer gefühlten Ewigkeit gab sie auf, drehte sich mit hängenden Schultern um und schlurfte wieder in die dunkel daliegende Gasse hinaus. Dieses Tor war ihre letzte Hoffnung gewesen, Jesus noch zu retten (auch wenn sie sich um die Antwort auf die Frage, was sie eigentlich tun sollte, wenn es ihr tatsächlich gelang, nach WeißWald zurückzukehren, bisher erfolgreich herumgemogelt hatte). Vielleicht gab es noch einen anderen Weg. Vielleicht war dieses Tor nicht das einzige … aber ihr würde nicht die Zeit bleiben, einen anderen Weg zu suchen. Esteban war tot. In spätestens zwei oder drei Tagen (vielleicht auch schon morgen) musste auch seine Bank das merken und seine Kreditkarte sperren, und dann würde Gonzales vermutlich gar nicht so schnell laufen können, wie er den Stecker ziehen wollte.
    Ein sehr großer, breitschultriger Schatten tauchte am Endeder Gasse auf und vertrat ihr den Weg. Ein einzelner Lichtstrahl brach sich auf Metall und erlosch wieder, und eine leicht heiser klingende Stimme sagte: »Allmählich wird es langweilig, Süße.« Das Blitzen von Licht auf Metall wiederholte sich. »Kommst du freiwillig mit, oder bestehst du auf der harten Tour?«
    Irgendetwas in Tonis Stimme sagte ihr, dass er sehr enttäuscht wäre, wenn sie ihn ganz widerstandslos begleitete, aber sie war nicht in der Stimmung, übermäßig viel Rücksicht auf seine Gefühle zu nehmen. Eine Sekunde lang erwog sie, einfach zu verschwinden, entschied sich aber auch fast sofort dagegen. Sie hatte nur noch diesen einen Vorteil, und es war besser, ihn sich aufzusparen, bis sie ihn wirklich brauchte.
    Sehr behutsam, um auch ganz bestimmt nichts zu tun, was er absichtlich falsch verstehen konnte, hob sie die Arme, ging ein paar Schritte in seine Richtung und blieb wieder stehen, als er nervös mit seiner Pistole herumzufuchteln begann und ihr die Papiertüte aus der Hand riss, in der sich das Buch und die sorgsam in Luftpolsterfolie eingepackte Armbrust befanden. Er war Profi genug, nicht hineinzusehen, sondern sie keinen Sekundenbruchteil aus den Augen zu lassen und auch

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