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Elfenzorn

Elfenzorn

Titel: Elfenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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vorsichtshalber wieder einen Schritt zurückzuweichen. Seine Pistole blieb dabei weiter auf ihre Brust gerichtet, nicht auf ihr Gesicht, wie sie voller Unbehagen registrierte. Toni mochte ein unerträglicher Macho und Angeber sein, aber er war kein Idiot, sondern wusste, was er tat.
    Die psychologische Wirkung einer Pistolenmündung, die direkt auf ihr Gesicht gerichtet war, wäre vielleicht größer gewesen, aber Toni setzte eher auf Sicherheit. Aus zwei Metern Entfernung konnte er praktisch gar nicht danebenschießen, solange er auf ihren Körper zielte, nicht auf ihren Kopf. »Gehen wir.« Er klang hörbar enttäuscht, fand Pia. »Mein Onkel möchte dich sehen.«
    Pia setzte sich gehorsam in Bewegung, und Toni machte einen schnellen Schritt zur Seite, um die Zweimeterdistanzzwischen ihnen zu wahren. Trotz seiner Größe und vermeintlichen Schwerfälligkeit waren seine Schritte beinahe lautlos, als er ihr folgte.
    Pia fragte sich, ob sie nicht gerade ihren letzten und möglicherweise verhängnisvollsten Fehler beging. Die Gasse war so dunkel, dass sie ihm selbst ohne ihre magische Kraft wahrscheinlich hätte entkommen können, aber sie war auch schmal. Wenn er einfach abdrückte und sein Magazin leerschoss, standen seine Chancen nicht schlecht, sie zu erwischen, ob er sie nun sehen konnte oder nicht.
    »Das mit Consuela tut mir leid«, sagte sie, nachdem sie eine Weile schweigend in die Richtung zurückgegangen waren, aus der sie selbst vor einer Stunde gekommen war. Vielleicht auch schon vor zwei. Toni sagte nichts, und nach weiteren zehn oder zwanzig Sekunden fügte sie hinzu: »War sie dein Mädchen?«
    »Nicht fest«, antwortete er, mit einer Stimme, die das genaue Gegenteil zum Ausdruck brachte. »Aber sie war ein hübsches Ding. Schade um sie.«
    Ihre innere Stimme riet ihr, besser nicht weiter auf dieses Thema einzugehen, und sie beschloss, ausnahmsweise einmal auf sie zu hören. Toni war gereizt, zornig und litt vermutlich heftige Schmerzen, jedenfalls wenn sie an den Anblick dachte, den sein zerschnittenes Gesicht vorhin im Wagen geboten hatte. Und ganz egal, wie abgebrüht er sich gab oder auch war, das Erlebnis mit dem Gespenst musste ihn zutiefst erschüttert haben. Sie gab besser acht, auf welche Knöpfe sie drückte.
    Sie gingen schweigend weiter, bogen zwei- oder dreimal ab und erreichten nach überraschend kurzer Zeit eine Straße, die zwar noch immer zu den Favelas gehörte, diese Bezeichnung aber dennoch schon fast verdiente. In ein paar Gebäuden brannte trotz der vorgerückten Stunde noch Licht, und hier und da funktionierte sogar noch eine Straßenlaterne. Dennoch wirkte der mehr als fünf Meter lang Bentley, der auf der anderen Straßenseite parkte, wie ein Fremdkörper; ein Eindringling aus eineranderen Welt, der hier so vollkommen deplatziert aussah, wie es überhaupt nur möglich war.
    Der Anblick musste sie wohl mehr erschreckt haben, als sie zugeben wollte, denn sie stockte lange genug im Schritt, um Toni einen Vorwand für einen unsanften Stoß zwischen ihre Schulterblätter zu liefern. Mit einem hastigen Schritt fand sie ihr Gleichgewicht wieder, ging weiter und wog zum allerletzten Mal ihre Chancen ab, doch noch zu fliehen. Sie standen nicht besonders gut – deutlich schlechter als gerade in der Gasse, wie sie sich niedergeschlagen eingestand – aber wenn sie in diesen Wagen stieg, dann war sie geliefert.
    Seltsamerweise machten ihre Füße die nächsten Schritte ganz von selbst, und noch bevor sie sich auch nur richtig wundern konnte, hatten sie den Wagen erreicht, und die hintere Tür wurde von innen geöffnet.
    Toni nutzte die Chance, ihr einen noch derberen Stoß in den Rücken zu versetzen – diesmal mit dem Pistolenlauf – und Pia fiel mehr in den Wagen, als dass sie einstieg. Toni wartete, bis sie ungeschickt auf die mit schwerem Leder gepolsterte Rückbank gekrabbelt war, bevor er ebenfalls einstieg und auf der gegenüberliegenden Sitzbank Platz nahm. Der Pistolenlauf war die ganze Zeit über weiter auf ihren Oberkörper gerichtet.
    Die Tür fiel mit einem dumpfen und sehr schweren Laut zu, und der Bentley setzte sich fast in derselben Sekunde in Bewegung. Pia klammerte sich hastig am weichen Leder der Sitzbank fest.
    »Versuch es lieber erst gar nicht«, sagte Toni und fuchtelte drohend mit seiner Waffe herum. Pia sah erst jetzt, dass sie sich getäuscht hatte. Es war keine Pistole, sondern ein Trommelrevolver von einem Kaliber, das wahrscheinlich sogar einen Panzer hätte

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