Elfriede im Salon (German Edition)
Verwerfungen, die sich im philosophischen Salon auftaten. Kompliziert war es hier, dafür hatte sie ein Gespür, obgleich sich ja die Philosophen mit komplizierten Formulierungen mächtig zurückhielten. Sie gingen ihrem eigentlich kompliziertem Geschäft nicht nach, schufen aber trotzdem den Eindruck, dass alles sehr kompliziert war.
Konnte Sex tatsächlich so kompliziert sein? Eine professionelle Nutte brauchte Erfahrung für ihren Job, aber an sich keinerlei Ausbildung, und jeder Depp konnte sie bespringen, wenn er denn dafür bezahlte. Jeder Depp konnte ficken. Sprichwörtlich fickte “Dumm” gut. Das deutete nun aber daraufhin, dass komplizierte und intelligente Persönlichkeiten größere Probleme mit dem Ficken hatten. Dieses scheinbare Paradox hätte allerdings nur zu der Erklärung gereicht, dass Philosophen den Sexualakt nur mangelhaft ausüben konnten, aber das konnten die Ereignisse des Abends nicht hundertprozentig bestätigen. Robert Unmuth hatte seine Sache gut gemacht, und der unerfahrene Dr. Schwarz hatte sich beim zweiten Mal gut geschlagen und sich sehr ausdauernd gezeigt. Die Philosophen hatten vielmehr Probleme damit, zum Sexualakt zu kommen und die größten Probleme damit, über Sex zu reden. “Großartig” hatten sie herausgebracht, eine an sich sehr unphilosophische Äußerung, die mehr den sportlichen Charakter der Leistung von Dr. Schwarz unterstrich. Sollten intelligente, wortgewandte Menschen nicht nur größere Probleme bei der Ausübung von Sex haben, sondern noch größere, zu Sex zu kommen und größte Probleme über Sex zu sprechen?
So ohne Weiteres kann dem nicht zugestimmt werden. Es scheint mehr die Sensibilität zu sein, die zum Versagen auf diesen Gebieten führt. Waren also die Philosophen des Salons ein Häufchen von Sensibelchen? Dr. Schwarz konnte man mit Sicherheit eine gewisse Sensibilität nicht absprechen. Der ehemalige Theologiestudent Robert Unmuth hatte, wenn er denn in seinen frühen Tagen von Sensibilität befallen war, auf seinen langjährigen Reisen, bei denen er auch viel Umgang mit Huren hatte, eine übers Normale hinausgehende Sensibilität abgelegt. Die körperliche Erscheinung von Professor Hügel widersprach der Einschätzung, er könne allzu sensibel sein. Er war ein an sich ausgeglichener Mensch, der sich allerdings an diesem Abend in einer emotionalen Schieflage befand. Unbestreitbar war Dr. Schwarz sensibel, wie er beim ersten komatösen Ficken bewiesen hatte. Ein Mensch, der beim Sex in einen nahezu epileptischen Kollaps verfällt, musste sensibel sein.
Elfriede war auch mit einer gewissen Sensibilität ausgestattet, die allerdings ausgesprochen produktiv sein konnte, denn diese blockierte nicht alles, sondern im Zusammenspiel mit Elfriedes Spontanität, ihrem Mut und ihrer Lust ersann sie Möglichkeiten, von denen die Philosophen nur träumen und denen sie sich nur verweigern konnten.
Lulu war vermutlich vollkommen unsensibel. Das entsprach dem Klischee, dass man von einer Nutte hat, und vertrug sich hervorragend mit ihrem Job. Wenn sie denn eine größere Sensibilität besaß, musste diese in einer vollkommen anderen Dimension beheimatet sein. Selbstverständlich hatte sie ein Gespür dafür, wie man bei ihren Kunden das Geld lockermachen konnte.
Die Diskussion um die Sensibilität der im Salon anwesenden schien fruchtlos zu sein; übergroße Sensibilität konnte nicht unterstellt werden und konnte überdies das große Versagen im Salon ohnehin nicht erklären. Wenn schon keine Diskussion über Sex entstand, so sollte man vielleicht den Stellenwert, den Sex für die hier Anwesenden hatte, betrachten. War Sex eine Säule der Kultur, wie ein geschockter oder auch euphorisierter Dr. Schwarz beim Ficken ausgerufen hatte? War Sex die wichtigste Sache der Welt oder vielleicht eben nur die wichtigste Nebensache der Welt, was immer auch das zu bedeuten hatte? Sex spielte eine nicht unwichtige Rolle im Leben der beiden anwesenden Frauen, wenn gleich auch in völlig unterschiedlicher Ausprägung. Für die Männer schien, wenn man ihr jetziges Leben betrachtete und die Ereignisse des Abends ausblendete, Sex überhaupt keine Rolle zu spielen oder jedenfalls nur eine sehr geringe. Sie hatten keinen Sex, dachten kaum an Sex, jedenfalls was ihre persönlichen Belange betraf. Sex war eine Sache der Vergangenheit und es soll kein Geheimnis bleiben, dass sie praktisch nie masturbierten. Ihr Kontakt mit Elfriede mochte hin und wieder ein kleines Feuer angefacht
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