Elia Contini 03 - Das Verschwinden
Papiere ein und verstaute sie in der Mappe. Savi begann unterdessen mit einem Erklärungsversuch, doch was er zusammenstotterte, war so hanebüchen, dass sie nur mit halbem Ohr zuhörte. Sie schloss die Mappe, sah ihn an und sagte: »Einen schönen Abend noch.«
»Warten Sie!«, stieß Savi hervor. »Jetzt warten Sie, so geht das doch nicht, Scheiße!«
»Bitte mäßigen Sie sich. Mir ist klar, dass Sie nichts weiter sind als ein Betrüger, der sich über…«
»Sie setzen sich jetzt wieder hin. Scheiße! Setz dich hin, verdammt!«
»…nommen hat. Gehen Sie bitte.«
»Sie hören mir jetzt zu! Sie bilden sich wohl ein, ich sehe tatenlos zu, wie Sie mich ruinieren!«
»Gehen Sie.«
»Ich bin ein ehrlicher und hart arbeitender Mann!«, schrie Savi. »Kein Krimineller! Was Sie da tun, ist Rufmord!«
»Lassen Sie uns ein andermal reden, ja? Für heute reicht es.«
Sonia nahm die Mappe an sich und wollte zur Tür gehen, doch Savi war mit einem Satz bei ihr, versperrte ihr den Weg und packte sie bei den Schultern.
»Sie setzen sich jetzt wieder hin und hören mir zu!«
Diese größenwahnsinnige Arztgattin, die ihn überhaupt nicht kannte, wagte es, sich in seine Angelegenheiten zu mischen. Sie wollte ihm tatsächlich mit Moral kommen, die Kriegerwitwe spielen, ihm Lektionen erteilen! Savis Gedanken rasten. Er war entschlossen, nicht eher zu gehen, als bis sie diese haltlosen Anklagen ihres feinen Herrn Gatten zerrissen und im Mülleimer versenkt hatte.
»Fassen Sie mich nicht an!«, fauchte sie.
»Schnauze!«
Savi fluchte. Er wollte nach der Mappe mit den Dokumenten greifen. Sie wich ihm aus, machte einen raschen Schritt zurück, Savi setzte ihr nach, und sie stolperte über einen Stuhl.
»He!«, rief sie. »Was fällt Ihnen …«
»Her mit den Wischen«, fauchte Savi. »Gib mir auf der Stelle dieses …«
»Jetzt hauen Sie endlich ab!«
Savi hatte sie abermals gepackt. Die Frau versuchte sich zu entwinden, aber er ließ sie nicht, hielt sie mit Eisengriff und presste sie seitlich gegen den Schreibtisch. Sie stemmte sich ihm mit aller Kraft dagegen. Er versetzte ihr einen Stoß, der sie gegen die Kante des Schreibtisches taumeln ließ. Sie stürzte rücklings zu Boden und riss im Fallen die Mappe, die Stifte, den Aschenbecher, den Briefbeschwerer, die Teetassen mit. Savi, jetzt ebenfalls auf den Knien, packte sie abermals und stieß sie brutal mit dem Kopf gegen die Seitenwand des Schreibtisches. Und noch einmal und noch einmal.
»Du hältst jetzt die Schnauze«, stieß er hervor, »du hältst die Schnauze …«
Natalia fand die Tür verschlossen. Sie verdrehte die Augen. Wieso sperrte ihre Mutter die Eingangstür ab, wenn sämtliche Fenster weit offen standen? Und wovor sollte man sich hier in Corvesco schon fürchten? Einbrecher kommen wohl kaum hier herauf!
Sie ging ums Haus und wollte vom Garten aus über die Terrasse hinein. Sie fragte sich, ob es normal war, sich so viel älter zu fühlen, als man tatsächlich war. Weshalb empfand sie ständig das Bedürfnis, für andere zu denken und für sie zu entscheiden? Und warum kam ihre Mutter ihr so dumm und ungeschickt vor?
Als sie am Fuß der Stufen zur Terrasse stand, hörte sie die Stimme ihrer Mutter, die ihr verändert erschien. Außer sich. Und gleich darauf eine männliche Stimme, die sie anschnauzte: »So geht das doch nicht, Scheiße!«
Natalia erstarrte. Die Hand an der Steinmauer, lauschte sie angestrengt. Da wurde gestritten, so viel war klar. Der Mann schrie ihre Mutter an, und die versuchte ihn loszuwerden. Natalia verzog angewidert das Gesicht. Sie hatte keine Lust, dem Kerl zu begegnen, diesem Fremden, der offenbar durchgeknallt war. Lieber durch den Hintereingang ins Haus und warten, bis er fort war.
Sie umrundete abermals das Haus und trat leise durch die Küchentür ein. Über der Schulter hatte sie ihre Tasche hängen. Sie zog ihr Telefon heraus und stöpselte das Ladegerät ein, das sie an der Steckdose neben der Tür anschloss. Dann spähte sie in den Flur, um zu sehen, ob der Mann jetzt endlich ging. Das Haus lag im Dunkeln, nur unter der Tür zum Arbeitszimmer schimmerte Licht.
»Sie hören mir jetzt zu!«, schrie der Mann. »Ob es Ihnen passt oder nicht!«
Natalia hörte ihn fluchen, hörte einen Stuhl über den Boden schrammen und begann sich Sorgen zu machen. Dieser Typ war womöglich ein Irrer? Vielleicht wollte er ihrer Mutter was tun? Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Auf Zehenspitzen schlich sie den Flur entlang bis
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