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Elia Contini 03 - Das Verschwinden

Elia Contini 03 - Das Verschwinden

Titel: Elia Contini 03 - Das Verschwinden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Fazioli
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aufstehend, und öffnete die Tür zur Küche. »Die Ärmste – wir kennen sie nicht mal, aber …«
    »Jetzt in der ersten Zeit würde ich Sie bitten, dass Sie Natalia einfach hier sein lassen«, antwortete Mankell. »Allem Anschein nach tut ihr das gut. Es beruhigt sie. Wenn es ihr besser geht, wird sie nach Lugano zurückkehren, und wir hoffen, dass es dann rasch weiter bergauf geht.«
    »Ja, hoffentlich«, warf Contini ein. »Schläft sie immer noch?«
    Mankell nickte und warf einen Blick auf die Uhr. Er habe ihr ein Beruhigungsmittel gegeben, erklärte er und verabschiedete sich. Contini begleitete ihn zur Tür und ging dann selbst nach Hause. Er überquerte den Dorfplatz von Corvesco und nahm von seiner Umgebung nichts wahr, weder die Versteck spielenden Kinder noch die vor dem Postamt versammelten Frauen: Er dachte über Natalia und ihre Sprachlosigkeit nach.
    Warum fühlte er sich ihr so nahe?
    Er kannte sie doch eigentlich gar nicht. Er hatte nie länger mit ihr geredet, und sie hatte sowieso nichts gesagt. Aber in ihrem Blick, in ihrer Art, wie sie schwieg und die Worte dachte, statt sie auszusprechen, war etwas, das Contini sehr vertraut war. Oft hatte er den Eindruck, dass auch sein Leben vom Schweigen bestimmt war. Es gab ein gutes Schweigen, das war die Stille und Einsamkeit der Berge und Wälder, und ein schlechtes Schweigen: Francesca, die gegangen war, weil er es nicht fertiggebracht hatte, ihr seine Unsicherheiten zu erklären.
    Manchmal, wenn er schweigend auf seiner Veranda saß und eine Zigarette rauchte, hatte er das Gefühl, vom Leben betrogen zu werden. Er wechselte den Job, er hielt an seinen Gewohnheiten fest, und dabei kam er sich vor wie einer, der irgendeinem Ziel nachläuft und vergessen hat, was es ist.
    An diesem Nachmittag aber, beschloss er, würde er sich zusammenreißen und nicht mehr schweigen.
    Francesca meldete sich beim dritten Läuten, und ihr Tonfall klang leicht überrascht. Für den Bruchteil einer Sekunde fragte sich Contini, ob es womöglich kindisch war, sie anzurufen. Dann sagte er: »Ich will nur wissen, wie’s dir geht.«
    Schweigen. Wieder mal; und wie war es – gut, schlecht?
    »Wir haben ja schon eine Weile nichts voneinander gehört«, fügte er hinzu. »Geht’s dir gut?«
    »Geht so«, antwortete Francesca.
    An dieser Stelle hätte sie hinzufügen müssen: Und dir? Aber sie sagte nichts. Also war wieder Contini an der Reihe.
    »Ich habe darüber nachgedacht, was du letztes Mal gesagt hast.«
    »Was genau meinst du?«
    »Na ja – also, dass ich keine Entscheidung treffe.«
    »Was für eine Entscheidung?«
    »Ich weiß nicht. Ich …«
    »Du weißt es nicht?«
    »Lass uns doch lieber in Ruhe darüber reden.«
    »Wir reden seit Monaten in Ruhe, Contini. Wie kann es sein, dass dir das so schwerfällt? Du musst es doch wissen, wenn dir an jemandem was liegt, oder?«
    »Mir liegt an dir. Aber du musst eben auch sehen, dass ich immer für mich gelebt habe. Ob das gut oder schlecht war – ich habe jedenfalls gelebt wie ein Einsiedler, ein bisschen außerhalb der Welt. Es ist nicht leicht, das jetzt auf einmal zu ändern.«
    »Ich weiß, dass es nicht leicht ist. Aber entscheiden musst du dich.«
    »Ist das wirklich notwendig?«
    »Entweder du lebst außerhalb der Welt, oder du lebst mit mir.«
    »Ich finde, wir sollten darüber reden.«
    »Wir reden ja darüber.«
    »Ah.«
    Schweigen. Keines von der guten Sorte. Contini versuchte es zu füllen.
    »Also …«
    »Danke für den Anruf.«
    »Na ja, ich wollte nur wissen …«
    »… wie’s mir geht. Es geht so, danke. Schönen Tag.«
    »Schönen Tag …«
    Während er auflegte, fragte sich Contini, ob es nicht doch besser war, zu schweigen. Er stellte sich unter die Dusche, drehte eine kleine Runde durch den Wald, dann setzte er sich mit einem Bier auf die Veranda. Er rauchte eine Zigarette, blickte hinunter auf die Häuser von Corvesco und hinauf zu einer Zusammenballung von Wolken über den Bergen, die Regen verhieß.
    Der graue Kater kam auf seinem Weg zur abendlichen Jagd vorbei und musste nur einen Blick auf Contini tun, um zu begreifen, dass der heute neben den Schuhen stand. Er ignorierte ihn klug und trabte weiter zum Wald. Contini sah auf die Uhr: halb acht. Man konnte auch zu Abend essen.
    Er briet zwei Paprikaschoten, eine rote und eine gelbe. Er fügte ein paar Basilikumblätter hinzu und träufelte Öl darüber, dann kochte er Nudeln, Fusilli diesmal, goss das Wasser ab und schwenkte sie mit Knoblauch in

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