Elia Contini 03 - Das Verschwinden
aufzusetzen.
»Mord! Was für ein Mord? Was soll ich damit zu tun haben?«
»Sie haben diverse schwebende Angelegenheiten mit uns, scheint mir.«
»Aber keinen Mord!«
»Genau das würden wir gerne von Ihnen wissen, Signor Savi.«
Sie standen im halbdunklen Lokal. Der Polizist sah sich um, fuhr mit der Hand über das verchromte Metall einer Geländerstange und fragte: »Haben Sie kein Büro?«
»Wir können genauso gut hier reden, Sie sehen ja, wir sind fast allein, und wenn Sie wollen, schalte ich die volle Beleuchtung …«
»Haben Sie kein Büro?«
Savi seufzte, schloss die Bürotür wieder auf, ließ den Kommissär herein, entschuldigte sich für die Unordnung. In Wahrheit war das Büro erstklassig aufgeräumt, jeder Gegenstand an seinem Platz. An der Wand standen ein paar Registerschränke, und vor dem Vollholzschreibtisch standen zwei Ledersessel für Besucher; Savi setzte sich in den größeren Chefsessel hinter dem Schreibtisch. De Marchi deutete auf den Diwan, auf dem Savi seine Nachmittagssiesta zu halten pflegte.
»Treiben Sie’s hier mit Ihren Angestellten?«, fragte er.
»Commissario, wenn Sie gekommen sind, um mich zu beleidigen …«
»Aber nein, ich weiß doch, dass Sie immer auf dem Laufenden sind.«
»Was soll das heißen?«
»Sie, Savi, sind ein Verwandlungskünstler. In den achtziger Jahren waren es Thailänderinnen und Philippinerinnen, heute sind es Brasilianerinnen und …«
»Herr Kommissär!« Savi sprang auf. »Ich bin ein fleißiger Mann …«
»Fleißig sind auch die Mädchen, die für Sie arbeiten«, entgegnete De Marchi unbeirrt. »Zumindest diejenigen, die Sie bei den zuständigen Behörden angemeldet haben.«
»Hier ist alles in bester Ordnung.«
»Mädchen, die dem Kunden mit Champagner und diversen Dienstleistungen fünfhundert Franken oder mehr pro Abend aus der Tasche ziehen. Wenn wir noch die Schwarzarbeiterinnen hinzuzählen, dann bringt Ihnen das ein hübsches Sümmchen ein, stimmt’s?«
»Wie kommen Sie zu solchen Unterstellungen? Kontrollieren Sie meinen Betrieb, wenn Sie meinen, kommen Sie mit einem Durchsuchungsbefehl und schauen Sie sich alles an, und dann ziehen Sie wieder ab.«
De Marchi musterte ihn bekümmert, als seien sie gute alte Freunde und Savi habe ihn hintergangen. Gesenkten Blicks schüttelte er den Kopf. Dann sah er wieder auf, fixierte sein Gegenüber und sagte: »Der Fall Dr. Enzo Rocchi sagt Ihnen was?«
Sind wir also so weit, dachte Savi. Dies war der Zeitpunkt, da er unter Aufbietung seines gesamten Waffenarsenals zu kämpfen beginnen musste. Ferdi und seine Leute hätten eine Haussuchung durch die Polizei ganz und gar nicht geschätzt, aber irgendwo musste er wohl oder übel Abstriche machen, um sich und das Tukan zu retten.
»Schauen Sie, es kann schon sein, dass ich in der Vergangenheit den einen oder anderen Fehler gemacht habe.«
De Marchi sah ihn nur stumm an.
»Aber auf Mädchen ungewisser Herkunft habe ich dann sehr bald verzichtet und zu bestimmten Leuten den Kontakt abgebrochen. Jawohl, ich stehe Ihnen sogar zur Verfügung, falls Sie mich brauchen, um gewisse Personen aus unserem Kanton verschwinden zu lassen. Zögern Sie nicht!«
»Was Sie nicht sagen. Sie wären bereit, gegen Zuhälter auszusagen?«
»Wenn es nötig ist. Für die Krise der Nachtclubs sind schließlich sie verantwortlich.«
»Und was haben Sie mir über den Doktor zu sagen?«
Savi ging nicht in die Falle. »Welchen Doktor?«
»Den, der gestorben ist. Und seine Frau.«
»Tut mir leid.« Savi hob die Schultern. »Ich kenne keinen toten Arzt. Und wie sollte ich auch, wenn er doch tot ist, hä?«
»Kennen Sie Sonia Rocchi? Ihre Tochter Natalia? Ein Mädchen, das etwa so alt sein dürfte wie Ihre …«
»Meine? Ich habe keine Kinder.«
»Wissen Sie, dass Sonia Rocchi ermordet wurde?«
»Tut mir leid.«
»Lesen Sie keine Zeitung, sehen Sie nicht fern?«
»Meinen Sie das Verbrechen von Corvesco?«
Der Kommissär nickte. »Jemand aus Corvesco hat das Tukan zur Sprache gebracht.«
»Jemand?«
»Diverse Hinweise im Haus des Opfers haben uns auf Sie und Ihr Lokal gebracht.«
Savi zuckte die Achseln. »Kann ja sein, dass die Herrschaften zu meinen Kunden zählten.«
»Na klar, das Tukan ist schließlich als Familienausflugslokal bekannt.«
»Es ist ein Lokal für Leute, die sich amüsieren wollen«, entrüstete sich Savi. »Daran ist nichts Verwerfliches.«
»In der Nacht des ersten August hatten Sie geschlossen, stimmt’s?«
»Ich glaube
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