Elidar (German Edition)
die Prinzessin dazu bringen konnten, das Palatium zu verlassen und ihre Söhne mitzunehmen.
Unwillkürlich musste sie lachen. Und dann würden sie noch nebenbei dem Zwillingsmond eine neue Bahn zuweisen und ein oder zwei Berge versetzen – ein Kinderspiel im Vergleich zu ihrem Vorhaben.
Sie war nicht überrascht, als sie beim Betreten des Ordenshauses Nicodemus Bär in der Eingangshalle vorfand. Er stand dort, als hätte er sie erwartet. Sie nickte ihm zu, und er wies mit einer einladenden Handbewegung zur Tür, die in den größeren der beiden Innenhöfe führte.
Elidar folgte ihm hinaus. Der weinberankten Kreuzgang lag in grüngoldenem Dämmerlicht, und das Laub warf schimmernde Schatten auf die von vielen Füßen glattpolierten und ausgetretenen Fliesen des Bodens. Sie umrundeten schweigend den Hof.
»Nun?«, fragte Bär, als sie den gegenüberliegenden Gang betraten. »Warst du unten in der Stadt?«
Elidar bejahte. Er wartete, und als sie nichts weiter sagte, fragte er: »Hast du jemanden besucht?«
Sie nickte und sah ihn an. Würde er weiterfragen?
Er nickte ebenfalls. »Die Prinzessin«, sagte er. Und lächelte, als er ihr Gesicht sah. »Du hast keine Familie in Cathreta. Und wenn du Freunde hättest, wüsste ich es. Vergiss nicht, ich kenne dich gut.«
Bildete sie es sich nur ein, oder hörte sie eine Drohung in seiner Stimme?
Er ließ sich auf der Balustrade nieder, die den Gang vom Hof trennte, und lehnte sich gegen eine Säule. »Du warst lange bei seiner Magnifizenz. Was denkst du?«, fragte er.
Elidar suchte in seinem Gesicht nach Verrat und Falschheit, aber auch jetzt fand sie dort nichts als Gelassenheit, Ruhe und freundliche Aufmerksamkeit.
»Was denkst du?«, fragte sie kühl zurück. »Du hast es doch so eingerichtet, bist du zufrieden?«
Sein Gesichtsausdruck änderte sich nicht. Er neigte nur ein wenig den Kopf und musterte sie beinahe neugierig.
»Sieh an, das Schoßtierchen beißt«, murmelte er, und es klang amüsiert. »Was ist, bist du unzufrieden damit, wie ich die Sache regele? Gerade du müsstest mir doch Beifall klatschen.«
»Sturm hat dir vertraut«, sagte sie wütend. »Er ist dein Freund. Und du vergiftest ihn? Ich habe das Gift unter seiner Haut wabern sehen!«
Bär nickte nachdenklich, als hätte sie ihm eine Frage zu einem kniffligen magischen Problem gestellt. »Ja, das stimmt«, sagte er. »Es war möglicherweise nicht sehr freundlich von mir. Aber es war notwendig.«
Elidar verschlug es beinahe den Atem. »Du nennst es ›nicht sehr freundlich‹ und ›notwendig‹ einen Freund zu vergiften?«
Bär schlug die Augen nicht nieder, sondern erwiderte ungerührt ihren Blick. »Du bist schon so lange hier bei uns und hast doch nicht viel begriffen«, sagte er. »Jeder Magier sollte seinen eigenen Rücken schützen. Und wer einem anderen Magier so weit vertraut, dass der ihn vergiften kann, ist durch die entscheidende Prüfung gefallen.« Er lächelte nicht, als er das sagte.
Elidar schüttelte aufgebracht den Kopf. »Du rätst mir also, dir nicht zu vertrauen«, sagte sie.
Bär zog die Brauen hoch. »Was sonst könnte ich dir raten? Was stört dich, Tigerkatze? Du wolltest doch immer nur eins: um jeden Preis Zauberer werden. Das gehört dazu. Finde dich besser damit ab, sonst ist dein Leben kurz und das Ende schmerzhaft.«
Elidar wandte sich ab und verschränkte die Arme über der Brust. Sie blickte in den stillen Hof hinaus. Nichts anderes hatte auch Sturm immer zu ihr gesagt: Es gibt keine Freundschaft unter Magiern. Und dennoch hatte er Bär vertraut und ihn als Freund bezeichnet.
Sie runzelte die Stirn. Allem Anschein nach hatte Bär noch nicht bemerkt, dass sie das Gift aus Sturms Körper entfernt hatte. Wie würde sie jetzt weiter vorgehen?
»Worüber denkst du nach?«, fragte der hünenhafte Lehrer, den sie einst so sehr gemocht hatte.
»Ich denke darüber nach, wie es weitergeht«, erwiderte sie. »Was wird mit seiner Magnifizenz geschehen?«
»Er wird sterben.« Bär klang gelangweilt, das Thema Sturm schien für ihn schon erledigt zu sein. »Dann werde ich mit dem Rest des Kollegiums kämpfen müssen, damit ich das neue Oberhaupt des Ordens werde.« Er beugte sich vor und zwang sie, seinem Blick zu begegnen. »Dafür brauche ich dich«, sagte er leise und eindringlich. »Ich weiß, dass meine Kräfte nicht ausreichen, um gegen alle zu bestehen.«
»Wenn du seine Magnifizenz von dem heilst, was du ihm angetan hast, denke ich darüber nach. Vorher
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