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Elidar (German Edition)

Elidar (German Edition)

Titel: Elidar (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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den Arm hielt sie zurück und zog sie auf die Füße. »Komm«, sagte Sao-Tan und zog sie mühelos mit sich hinaus.
    »Was ist mit ihr los, so kenne ich sie gar nicht«, sagte Elidar erschüttert.
    Sie kauerte auf einem niedrigen Hocker in der kleinen, karg eingerichteten Kammer, die Sao-Tan bewohnte. Der große Leibwächter hockte ihr gegenüber auf einer zerschlissenen Matte, die Beine untergeschlagen und die Hände im Schoß gefaltet.
    »So benimmt sie sich immer kurz vor der Niederkunft«, sagte er. »Es ist, als wäre ein Teil ihres Geistes in ihrem Kind und kehrte erst wieder zurück, wenn das Kind atmet und schreit.« Sein Blick ging nach innen und betrachtete die Vergangenheit. »Ihre Mutter war ganz genauso«, sagte er, und seine Stimme war leise und sanft. »Vor Nyimaganyi-Chuns Geburt mussten wir sie festbinden, damit sie nicht hinausläuft und auf dem Dach des Mondpalastes tanzt.« Er lachte leise. »Der Mondpalast ist zweimal so hoch wie das Palatium - und seine Dächer sind spitz und mit Stacheln besetzt wie ein Drachenschwanz. Es wäre selbst dem leichtfüßigen Silbervögelchen schwer gefallen, dort zu tanzen.«
    »Silbervögelchen ist Morgenblütes Mutter?«
    Er nickte, ganz in seine Erinnerungen versunken. »Das war sie, ja. Die schönste Frau, die je vom Mondlicht geküsst wurde. Ganz Silber und Seide, Blütenduft und zartes Gefieder.« Er verstummte, und Elidar hielt den Atem an, um ihn nicht zu stören.
    »Sie starb«, fuhr Sao-Tan fort, und seine Stimme klirrte.
    Elidar seufzte leise. Sao-Tan blickte auf und fuhr sich mit der großen Hand übers Gesicht. »Ich bitte um Vergebung«, sagte er.
    Elidar nickte stumm. Es war zu deutlich, dass er nicht nur um seine alte Herrin trauerte, und das Leid in seinen Augen war zu tief, um oberflächlichen Bemerkungen zu vertragen.
    »Was wirst du tun?«, fragte sie.
    Seine Schultern strafften sich. »Die Niederkunft steht kurz bevor. Ich werde bis dahin nicht von ihrer Seite weichen. Ihre Söhne sollen heil und gesund das Licht der Sonne erblicken.«
    »Und dann?«, fragte Elidar. Der alte Kämpe erwiderte ihren Blick mit großer Hoffnungslosigkeit. Er antwortete nicht.
    »Du denkst, dass Carelja versuchen wird, sie zu töten«, sagte Elidar.
    Er nickte grimmig. »Dazu brauche ich keine magische Hellsichtigkeit. Selbst, wenn der Kurator die Söhne meiner Herrin in seine Schatzkammer schließt und von seiner gesamten Garde bewachen lässt: Carelja wird einen Weg finden. Meine Herrin wird sterben.«
    Elidar legte konzentriert die Fingerspitzen vor dem Mund zusammen, eine Geste, die sie unbewusst von Casarius Sturm übernommen hatte. »Ihr müsst fliehen«, sagte sie nach einer Weile.
    Sao-Tan erwiderte starr ihren Blick. Sie konnte erkennen, dass er lange vor ihr zu diesem Ergebnis gekommen war. Sao-Tan war seiner Herrin blind ergeben, aber er war kein Narr.
    »Kannst du sie zurück nach Hause bringen?«, fragte Elidar. Die Reise nach Malandakay war lang und beschwerlich. Man konnte sie einer Frau mit ihren gerade geborenen Säuglingen schon unter normalen Bedingungen kaum zumuten - wie erst, wenn sie sich auf der Flucht vor dem mächtigsten Herrscher dieses Teils der Welt befand?
    Sao-Tan schüttelte den Kopf. »Nein, der Smaragdene Hof wird uns unter diesen Umständen nicht willkommen heißen. Seine Kaiserliche Herrlichkeit wird den Frieden mit dem Ledonischen Reich auf keinen Fall wegen einer seiner jüngeren Schwestern aufs Spiel setzen. Und außerdem - sie wird nicht gehen wollen. Nicht jetzt, wo sie Carelja endlich aus ihrer Stellung vertreiben könnte.«
    Ein silbernes Glöckchen über Elidars Kopf begann zu läuten. Sao-Tan kam geschmeidig auf die Füße, legte den Schwertgurt wieder um, den er beim Betreten des Zimmers abgelegt hatte, und verneigte sich mit zusammengelegten Händen vor Elidar. »Sie ruft mich«, sagte er. »Ich danke dir, dass du einem ratlosen alten Mann deine Zeit geschenkt hast.«
    Elidar sah ihm verblüfft nach.
    Warum war sie eigentlich hergekommen? Der Silberdrache hatte sie gerufen, und sie war dem Ruf gefolgt. Elidar hatte gehofft, dass Morgenblüte ihr helfen würde, das Rätsel um das Drachenfeuer in ihrem Inneren zu lösen. Aber nun benötigte wohl eher die Prinzessin ihre Hilfe!
    Elidar machte sich auf den Weg zurück ins Ordenshaus, und ihre Gedanken waren grimmig. Sie war fest entschlossen, Sturm zu heilen und Bär die Stirn zu bieten - und dann musste sie sich erneut mit Sao-Tan treffen und einen Plan entwickeln, wie sie

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