Elidar (German Edition)
bekommen.
Das Ei bewegte sich heftiger, und auf der grauweißen Oberfläche bildete sich ein feiner Riss.
»Leg es hierher«, sagte der Dkhev. Sie bettete das Ei auf die Trage, während der Riss sich vergrößerte und verbreiterte. Das Lebewesen begann, sich durch die Schale zu arbeiten.
»Ein Dakh«, sagte der Dkhev und holte das nächste Ei aus dem benachbarten Gelass. »Die kleinen Brüder schaffen das ganz gut alleine. Komm, hier warten noch mehr auf uns.«
Elidar überwand ihre Verwunderung und half dem Echsenmann, ein gutes Dutzend der schlüpfenden Tiere auf Tragen und dann in gepolsterte Aufzuchtkammern zu bringen. Der erste winzige Würmling war mittlerweile aus seiner Umhüllung gekrochen und lag zappelnd auf der Decke. Er glich einer unförmigen, riesengroßen Made ohne erkennbare Gliedmaßen oder Sinnesorgane.
»Es braucht Wärme«, sagte der Pfleger und wies auf eine der gepolsterten und beheizten Kammern.
Sie verstauten die Würmlinge und wandten sich dann wieder der Wand mit den Eiern zu. »Jetzt kommen die Nestbrüder von der Windseite«, sagte der Dkhev. »Die Khev sind noch nicht soweit.« Er sah sie zum ersten Mal richtig an. »Du bist sicher die junge Königin, von der sie gesprochen haben. Wir haben uns schon Sorgen gemacht, weil sechs Generationen vor dir nicht zurück nach Hause gekommen sind.« Er zeigte lächelnd die Zähne. »Vielleicht habe ich dich sogar damals aus deiner Bruthöhle gehoben, wer weiß?«
Elidar blieb stehen. Was faselte er da? Sie schüttelte den Kopf. Es war schwer, die Dkhev zu verstehen. Sie ähnelten den Menschen so sehr, aber wenn man sie näher kennen lernte, wirkten sie immer fremder. Wofür auch immer er sie halten mochte, sie würde ihn nicht aufklären. Er war freundlich und nicht sehr verschlossen, und vielleicht würde er ihr den Weg an die Oberfläche weisen.
Sie arbeiteten schweigend und konzentriert, um die restlichen Würmlinge zu ihrem neuen Standort zu bringen. Gelegentlich erklärte der Dkhev ihr, was er gerade tat. Sie erfuhr, dass die Eier auf der Windseite gekühlt wurden, um zu reifen, die Würmlinge dann aber die Wärme der Aufzuchtkammern benötigten, um zu gedeihen.
»Natürlich ist das anders bei den jungen Königinnen«, sagte er. Sie fegten gerade die leeren Kammern aus.
Elidar wartete, aber er pfiff nur leise durch die Zähne.
»Kälte und dann Wärme für die Dkhev, Dakh und Khev«, zählte Elidar auf. Warum Tiere und Echsenmänner hier in den gleichen Brutkammern gediehen, wagte sie nicht zu fragen.
»Kälte und dann Wärme«, bestätigte der Dkhev. »Du musst aufpassen, dass du die Eier unterscheidest. Die befruchteten Eier sind etwas kleiner und haben eine dünnere Schale.« Er hob den Kopf und stieß erneut den schrillen Pfiff aus, den sie inzwischen als Alarmruf oder Bitte um Aufmerksamkeit erkannte. Wenig später eilten zwei Dkhev mit einer Trage herbei.
»Sieh hier«, sagte der Dkhev und hob die schützende Decke an. »Das ist ein befruchtetes Ei. Daraus schlüpft ein Dkhev.« Er hielt es ihr hin. »Und das hier ist entweder ein Dakh oder ein Khev.« Er legte die Eier vor Elidar hin und deutete auf die Brutkammern. »Wenn wir Khev wollen, müssen wir sie auf die Windseite legen. Dakh brauchen die windabgewandte Seite, hier, zur Mitte hin. Und die Dkhev legen wir zwischen beide. Sie bleiben länger hier, ungefähr zwei Perioden, bevor sie in die Aufzuchtkammern gebracht werden.«
Elidar schwirrte der Kopf. »Also sind alles die gleichen Eier - nur befruchtet oder unbefruchtet, kalt oder warm gelagert?« Wie konnten Tiere wie die geduldigen Dakh und die schnellen Khev aus den gleichen Eiern wie der Echsenmann neben ihr geschlüpft sein?
Der Dkhev sortierte mit sicheren Bewegungen die Eier in die Kammern. Er nickte.
»Woher kommen die Eier?« Ganz sicher hatte sie ihn missverstanden, oder möglicherweise auch er sie.
Er hielt inne und stemmte die Arme in die Seiten. »Woher die Eier kommen?«, fragte er verblüfft. Dann lachte er und schüttelte den Kopf. »Du scherzt. Das ist freundlich von dir, so geht die Arbeit leichter von der Hand.« Immer noch schmunzelnd, verschloss er die gefüllten Brutkammern.
Elidar ließ es auf sich beruhen. Warum hatte der Alte Drache sie hierher verschleppt? Und warum war es ihm gleichgültig, dass sie nun vollkommen frei und ungehindert herumlief? Hatte sie ihn unwissentlich beleidigt?
Der Dkhev, dessen Namen sie nicht kannte, reckte die Arme und dehnte seine Schultern. »Ich darf nun
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