Elidar (German Edition)
Hauptstadt des ledonischen Imperiums zu erobern – mit nichts als den Kleidern, die sie am Leibe trug und einem Empfehlungsschreiben, das ihr bei der Suche nach einem Magierorden, der sie aufnehmen mochte, schwerlich helfen würde.
Cathreta war viel größer als Kayvan. Die Häuser waren präch-tiger, die Straßen breiter und die Menschen schienen allesamtriesengroß und kräftig zu sein. Sie unterhielten sich mit lauten, tiefen Stimmen in ihrer seltsamen Sprache, die Elidar inzwischen recht gut verstand, und viele von ihnen hatten rote Haare, was sie äußerst merkwürdig fand.
Der Besitzer des Gasthofs, bei dem Rui während seines Aufenthalts in Cathreta zu logieren pflegte (seine Gehilfen schliefen selbstverständlich im Stall), erlaubte ihr, weiter dort zu nächtigen und sich in der Küche mit Verpflegung zu versorgen. Dafür musste sie dem Burschen beim Füttern und Striegeln der Pferde und beim Ausmisten helfen. Das war eine gute Arbeit, die ihr je nach Belegung des Gasthofs immer noch einen halben Tag oder sogar mehr Zeit ließ, sich in Cathreta umzusehen.
Mit einem Kanten Brot in ihrem Säckel, die Hände gegen die Kälte tief in den Taschen ihrer Jacke vergraben, stromerte sie durch die Gassen und Straßen der Stadt und hoffte, auf einen freundlichen Magier zu treffen, der sie unter seine Fittiche nehmen würde. Oder ihr wenigstens verriet, wo der Spinnenorden residierte.
Ihre Kreise wurden immer größer, je besser sie sich in der Stadt zurechtfand. Der eisige Winter wich einem ebenso kalten Frühling, und Elidar fragte sich, ob sie nicht vielleicht doch besser mit Rui gereist wäre.
Schließlich gelangte sie auf einer ihrer Exkursionen auf einen riesigen Platz, der mit blankem Marmor belegt und von Statuen und hohen Bäumen gesäumt war. In seiner Mitte war ein großes, flaches Becken, aus dem sich auf einem hohen Sockel ein steinerner Hirsch emporbäumte, den Kopf mit dem machtvollen Geweih stolz erhoben. Rundherum saß, stand und lag allerlei steinernes Getier, das dem Hirsch zu huldigen schien.
Elidar umrundete das Monument und fragte sich, wozu das flache Becken dienen mochte. Sollte es vielleicht das Blut heiliger Opfer auffangen?
Sie hockte sich auf die Balustrade, die das Becken umgab, und holte ihr Stück Brot aus der Tasche.
»He«, rief eine rüde Stimme. »Pack dich da weg, du Lümmel. Hier wird nicht herumgelungert!« Ein Soldat in weiß-goldener Rüstung kam auf sie zugelaufen.
Elidar sah den Soldaten fragend an. »Warum nicht?«
»Was?« Der Soldat stand jetzt vor ihr und blinzelte verdutzt. Er hatte offensichtlich nicht damit gerechnet, sich mit ihr unterhalten zu müssen.
»Warum darf ich hier nicht sitzen? Es ist doch so viel Platz da, und weit und breit niemand, den ich störe.« Elidar biss seelenruhig in ihr Brot.
»Hör mal«, sagte der Soldat empört. »Was bildest du dir ein? Hältst du dich für königliches Blut?«
Elidar schüttelte den Kopf. »Nicht, dass ich wüsste. Muss man das sein, um hier zu sitzen?«
Der Soldat richtete sich steif auf. »Das hier ist der Platz des Kurators. Dort drüben ist sein Palatium.« Eine weiß behandschuhte Hand deutete auf ein langgestrecktes Gebäude, das am anderen Ende des Platzes zu sehen war. »Wenn der Kurator aus seinem Fenster blickt, wünscht er nicht, herumlungerndes Lumpenpack zu erblicken.«
»Um mich hier sitzen zu sehen, müsste er schon Adleraugen haben«, konterte Elidar. Der Disput begann ihr Spaß zu machen. Stadtbüttel blieben Stadtbüttel, auch wenn sie vornehm in Weiß und Gold herumstolzierten.
Der Soldat lief rot an, was zu seinen rötlichen Haaren ganz und gar scheußlich aussah, wie Elidar belustigt feststellte.
»Du - verschwindest - sofort - von hier!«, dröhnte er und legte die Hand an sein Schwert. Er machte einen Schritt auf sie zu, um sie am Kragen zu packen, aber Elidar entwischte ihm leicht.
»Ist ja schon gut«, sagte sie und packte gemächlich ihr Brot ein. »Ich bin ja schon weg. Nicht, dass dich noch der Schlag trifft .«
»Unverschämter Bengel, warte, wenn du dich noch mal hier blicken lässt …!«, tönte es hinter ihr her. Lachend marschierte sie mitten über den marmornen Platz, genoss das eisglatte Gefühl unter ihren Sohlen, schlitterte hier und da ein paar Schritte und kam so dem Palatium immer näher.
Aus der Ferne hatte das Gebäude nicht besonders eindrucksvoll auf sie gewirkt. Aber je näher sie kam, desto deutlicher wurden seine imposanten Ausmaße. Der weite Platz und die
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