Elidar (German Edition)
Drache. Es klang erstaunt.
»Sie reisen beim ersten Ruf ab.« Luca verspürte plötzlich Unruhe. Wie weit mochte die Nacht vorangeschritten sein? Der erste Ruf erklang weit vor der Morgendämmerung, und er hielt sich nun schon seit geraumer Zeit im Drachennest auf.
»Nun ist die Stunde des Nebelherzen. Nkar?«, fragte der Alte Drache.
Der Legat züngelte. »Der erste Ruf ertönt in Kürze«, sagte er.
Luca sprang auf. »Ihr müsst verzeihen«, sagte er, schon halb auf dem Weg zur Tür. »Ich komme zurück, sobald … ich muss mich sputen!«
»Nkar!«, rief der Alte Drache. Der Legat bewegte sich schneller, als Luca das bei diesem bedächtigen Echsenmann jemals für möglich gehalten hätte. Er holte Luca ein, überholte ihn gar, und riss die Tür auf. »Folgen«, rief er knapp.
Luca folgte. Dieses Mal führte der Weg nicht durch die langen Korridore und staubigen Zimmer, sondern der Legat führte Luca zu einer Öffnung in der Wand. Dahinter war es stockfinster. Luca zögerte, und Nkar-Dag ergriff kurz entschlossen seine Hand und zog ihn mit sich. Luca stöhnte, denn diese totale Dunkelheit war beklemmend. Er stolperte hinter dem Legaten her, humpelte, so schnell es ging, blieb immer wieder mit dem Fuß an kleinen Erhebungen hängen, und wenn er noch Atem übrig gehabt hätte, hätte er pausenlos geflucht.
Der Gang führte steil abwärts. Er schien ohne Richtungsänderungen geradeaus zu führen, und nach einiger Zeit begann sich Luca zu fragen, wo sie inzwischen sein mochten - jedenfalls nicht mehr unter dem Drachenhaus. Es war ein schmaler Gang, Luca stieß rechts und links an Wände. Auch die Decke war nicht allzu hoch über seinem Kopf, und die Luft war stickig. Luca fühlte sich, als wäre er lebendigen Leibes begraben worden. Im Laufen begraben, dachte er grimmig und hustete. Nkar-Dag zog ihn unbarmherzig weiter voran.
Irgendwann stieg der Gang wieder an. Das Laufen wurde noch beschwerlicher. Luca stöhnte und schnaufte wie ein Dkhev, das einen zu schweren Karren ziehen musste.
»Wir sind gleich da«, rief der Legat.
»Hoffentlich«, ächzte Luca. »Falle sonst tot um.«
Ein grauer Schimmer narrte seine Augen. War dort vorne Licht?
Es wurde heller, die Finsternis wich einem trüben Halbdunkel. Die Wände des Ganges rückten weiter auseinander, und die Decke hob sich. Luca holte tief Luft . Nein, die Decke war verschwunden, hoch über seinem Kopf erblickte er Sterne am Himmel.
»Wo«, begann er. Nkar-Dag ließ seine Hand los und blieb stehen. Luca stützte sich mit der Hand auf dem gesunden Knie ab und holte keuchend Luft.
»Dort ist der alte Hafen«, zeigte der Legat. »Dort die Seilmachergasse.« Luca schüttelte den Kopf. Natürlich, jetzt erkannte er den Ort. Wie konnten sie so schnell vom Drachennest hierher gelangt sein?
Seine Überlegungen wurden jäh unterbrochen. Vom Nur-Tayl herab erklang der erste Ruf über die Dächer der Altstadt. Luca fluchte laut und setzte sich wieder in Bewegung.
»Wir sehen uns heute Nachmittag«, rief der Legat hinter ihm her.
Er kam zu spät. Auf dem Hof des Serails exerzierten seine ehemaligen Kameraden, überall lag Dakh-Dung und tiefe Furchen im Staub zeigten, wo die Karren gestanden hatten - aber Ruis Karawane war fort.
Luca ließ sich schwer atmend auf die Bank vor dem Tor sinken und legte den Kopf in die Hände. Elidar war auf dem Weg in den Norden, und wahrscheinlich würde er sie nie wiedersehen. Er hatte ihr noch alles Gute wünschen wollen, sie noch einmal fest umarmen und ihr sagen, dass sie sich nicht blenden lassen sollte von der Hauptstadt und ihrem Glanz. Vielleicht hätte er sie auch vor den Zauberern gewarnt, und davor, dass sie unberechenbar waren, tückisch, hinterhältig …
»Luca«, rief Elidar. Er riss den Kopf hoch. Das Mädchen ritt auf einem Khev auf ihn zu und winkte begeistert. »Ich wusste, dass du noch kommst«, rief sie. »Ich habe es gewusst!« Sie zügelte die zischende Echse, sprang von ihrem Rücken und befahl dem Tier mit einem Pfiff, sich hinzulegen.
»Elidar«, sagte Luca fassungslos, »was machst du hier, bist du verrückt? Wo ist die Karawane?«
»Auf dem Weg nach Gaskiar«, sagte das Mädchen und hockte sich neben ihn. »Ich habe Rui gesagt, dass ich mich unbedingt noch von dir verabschieden will - und mit dem Khev hole ich die Karawane ganz leicht wieder ein. Die Dakhs sind Schnecken!«
»Er hat dir das Khev überlassen?« Luca schüttelte den Kopf. »Einfach so? Hat er keine Angst, dass du dich damit aus dem
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