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Elidar (German Edition)

Elidar (German Edition)

Titel: Elidar (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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zischelte er noch, dann schloss er die Tür, und Elidar stand in einem hohen, schmalen Raum, vor dessen Fenster ein Baum seine kahlen Äste in den Himmel reckte.
    »Komm näher«, forderte eine Stimme sie ungeduldig auf. Elidar bemerkte jetzt erst, dass neben dem mit Papieren übersäten Schreibtisch am Fenster eine hochgewachsene Frau in einem schwarzen Kleid stand und sie nicht besonders freundlich musterte. Sie hielt Lucas Brief in der Hand.
    »So«, sagte sie. »Was haben wir denn da?« Sie hob eine Brille an einem langen Stiel zur Nase und überflog den Brief. Elidar starrte das seltsame Brillending fasziniert an.
    Domna Antela ließ die Brille fallen - sie baumelte an einer
    langen Silberkette - und wedelte mit dem Brief. »Woher hast du das Schreiben?«, fragte sie, es klang ärgerlich. »Wem hast du es gestohlen?«
    Elidar riss die Augen auf. »Ich habe es niemandem gestohlen«, verteidigte sie sich. »Luca hat es mir für Sie gegeben.« Sie fand, dass diese imposante Dame nach einer förmlichen Anrede verlangte.
    Domna Antela wirkte nicht sehr überzeugt. Sie spielte an der Brillenkette.
    »Luca«, sagte sie nach einer Weile, in der Elidar sich bemühte, nicht nervös von einem Bein aufs andere zu treten. »Ich erinnere mich an ihn. Der junge Mann ist erstaunlich dreist.« Sie presste die Lippen schmal zusammen. Elidar begann sich zu wundern. Luca hatte ihr den Eindruck vermittelt, dass er mit der Domna auf höchst vertrautem Fuße stand.
    »Aber«, fuhr die Domna fort und hob drohend den Brief, »er schreibt hier, dass er mir ein Mädchen schickt. Ein Mädchen! Wie erklärst du mir das?«
    Elidar machte »Gnnnft« – ein Geräusch, das sich nicht allzu fein anhörte, und von Domna Antela mit einem indignierten Blick kommentiert wurde. Luca, dieser … Elidar hätte ihn am liebsten getreten, es war gut, dass er jetzt in sicherer Entfernung in Yasaim weilte. »Ja«, sagte sie widerstrebend. »Das ist schon richtig so. Ich bin … ich bin …« Es wollte ihr nicht über die Lippen. »Ich bin kein Junge.«
    »Ach«, sagte die Domna, es klang skeptisch. Sie hob wieder dieses Brillending an die Nase und musterte Elidars struppige Erscheinung gründlich. »Bist du dir sicher?«, fragte sie.
    Elidar wurde rot und entgegnet wütend: »Natürlich bin ich das! Ich kann es dir gerne beweisen!« Pfeif auf die höfliche Anrede!
    Sie machte Anstalten, ihre Schuhe aufzuschnüren, damit sie aus der Hose schlüpfen konnte. Domna Antela schrie spitz und vornehm leise auf und hob abwehrend die Hände. »Unterlasse das!«
    Elidar konnte ihre Gedanken förmlich erraten: Flöhe. Unge-
    waschene Körperteile. Geruch. Wenn nun jemand hereinkam!
    »Also gut«, sagte die Domna, um Fassung ringend. »Ich glaube dir. Auch wenn es mir schwer fällt!« Sie ließ den Brief auf den Schreibtisch fallen und griff nach einem Fächer, um sich Luft zuzuwedeln. Elidar fand das überaus albern, außerdem war es gar nicht so besonders warm im Zimmer.
    »Ich kann dich beim besten Willen nirgendwo unterbringen«, sagte die Domna. »Wo sollte ich dich hinstecken? In den Stall, das würde passen. Aber als Mädchen …«
    Dieser Idiot, dachte Elidar erneut.
    »Die Küche, das wäre die einzige Möglichkeit. Wir könnten dich als Spülmädchen einsetzen.« Wieder ein zweifelnder Blick.
    Auch Elidar zweifelte daran, dass dies das Ziel ihrer Träume war. »Eigentlich wollte ich ja …«, begann sie, aber da wurde die Tür geöffnet, und jemand trat mit einer leisen Entschuldigung ein.
    »Ja? Was gibt es denn?«, fuhr die Domna auf, der Elidar den Blick auf den Eindringling versperrte. Elidar trat beiseite und wurde daraufhin Zeugin, wie die würdige Domna in einen tiefen Knicks versank.
    »Bitte, Domna Antela«, sagte eine melodiöse Stimme. »Erhebe dich.«
    »Damisel«, erwiderte die Hausdame atemlos. »Ich erbitte Eure Verzeihung, dass diese - dieser - das Kind hier …«
    »Ihretwegen bin ich gekommen«, sagte die Frau. Elidar, die versucht hatte, unsichtbar zu werden, blickte überrascht in ein Paar freundlicher, mandelförmiger Augen.
    Endlich mal kein Trauerkloß, schoss es Elidar durch den Kopf. Die Frau trug eine fließende Robe in hellen Farben. Vögel, Blumen, Ornamente überzogen in leuchtender Fülle das Gewand. Ihr Gesicht war zart und honigfarben, mit einem kleinen, rosigen Mund und hohen Wangenknochen unter einem dunklen Haarturm. Wie schön sie ist, dachte Elidar hingerissen.
    »Du bist Elidar?«, fragte die Frau zu ihrer

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