Elidar (German Edition)
flog die Klappe auf. »Ja?«, bellte der Besitzer eines braunen Augenpaars.
»Ich habe gestern um einen Termin bei Domna Antela gebeten«, erklärte Elidar.
»Ha? Bei der Domna? Einfach so?« Die braunen Augen zogen sich misstrauisch zusammen. »Du siehst nicht aus, als würde die Domna dich zu kennen wünschen.«
»Ich bin der Sohn eines alten Bekannten«, behauptete Elidar forsch. »Gestern habe ich mein Empfehlungsschreiben hier abgegeben - man hat mir gesagt, ich solle heute wiederkommen, dann würde ich vorgelassen.«
»Hm«, machte der Mann. »Ich höre mal nach.« Die Klappe flog zu.
Nach einer Weile läutete Elidar noch mal, aber nichts rührte sich. Sie ging ein paar Schritte beiseite, setzte sich unter einen Baum und wartete weiter, aber im Geiste war sie schon wieder auf dem Rückweg. Sollte sie es morgen noch mal versuchen? Vielleicht war ja der Blauäugige wieder da, erinnerte sich an sie und hatte etwas erreicht …
Sie sprang auf, denn die Klappe in der Tür öffnete sich. »Hallo«, rief sie und rannte auf das Tor zu. »Hallo, hier bin ich!«
Die Klappe, die sich schon wieder geschlossen hatte, ging erneut auf. »Warum bist du weggegangen?«, fragte der Mann missvergnügt. »Wenn du so wenig Geduld hast, solltest du nicht meine kostbare Zeit stehlen!« Er starrte Elidar an.
»Entschuldigung«, sagte sie erwartungsvoll.
Er machte ein kehliges Geräusch, wie ein Hahn, der versucht, ein Ei zu legen. »Also wirklich.« Er schloss die Klappe, und Elidar hörte, wie ein Riegel schnappte. Dann öffnete sich die Tür einen Spalt breit.
»Rein da«, sagte der Mann, den Elidar nun zum ersten Mal ganz sah. Er trug eine dunkelblaue Livree und eine schief sitzende Perücke und sah ungemein wichtig aus.
Elidar zögerte nicht, sie schlüpfte durch den Türspalt und stand in einem dunklen und niedrigen, gefliesten Gang. Der Mann verriegelte hinter ihr sorgfältig die Tür und drehte sich dann zu ihr um. »Ich bringe dich zu Domna Antela«, verkündete er griesgrämig. »Weiß der Himmel, womit du das verdient hast.« Sein Blick, der Elidar vom Kopf bis zu den Zehen musterte, zeigte deutlich, was er davon hielt.
Er wies ihr steif den Weg und ging dann mit schnellen, kurzen Schritten voran. Seine Füße in den glänzenden Schnallenschuhen stampften laut und ärgerlich auf.
Elidar lief leichtfüßig hinter ihm her und bestaunte das Innere des Palastes. Dies hier war jedenfalls nicht der repräsentative, hochherrschaftliche Teil - dafür war alles ein wenig zu schlicht und sogar ein bisschen schäbig. Der Putz an den Wänden hatte Risse, es lag Staub auf den Simsen, und die Bodenfliesen waren hier und da gesprungen oder fehlten sogar zur Gänze. Hin und wieder begegneten sie einem Bediensteten in einfacher Kleidung, der den Livrierten ergeben grüßte, ohne jedoch eines Blickes gewürdigt zu werden.
Sie liefen eine ganze Weile und ganz allmählich änderte sich etwas. Die Wände präsentierten sich nicht mehr roh verputzt, sondern mit feinen Tapeten geschmückt, und in regelmäßigen Abständen waren Leuchter an den Wänden angebracht, in denen honiggelbe Kerzen steckten. Der Boden war immer noch gefliest, aber diese Fliesen waren aus feinem, glattpoliertem Stein, der ebenso honigfarben leuchtete wie die zart duftenden Kerzen an den Wänden.
Und wenn ihnen jetzt jemand begegnete, dann war es ihr Führer, der beiseite trat und untertänig grüßte, und es war sein Gruß, der in der Regel nicht beantwortet wurde. Dafür trafen aber Elidar verwunderte Blicke, die sie ebenso erstaunt beantwortete. Die Menschen hier im Palatium waren allesamt gekleidet, als ginge es zu einer Trauerfeier: nachtdunkles Blau, mitternächtiges Violett, waldfinsteres Grün, glänzendes oder mattes Schwarz, tiefdunkles Rot waren die vorherrschenden Farben der raschelnden und rauschenden Stoffe, aus denen die voluminös geschnittenen, steifen Roben und strengen langen Jacken geschneidert waren. Hier und da blitzten zwar eine cremige Spitze, ein glänzendes Schmuckstück oder ein silberner Besatz auf, aber das betonte die allgegenwärtige Düsternis nur noch mehr.
Der Livrierte blieb stehen und klopfte an eine dunkle Tür. Elidar hörte keine Antwort, aber ihr Führer drückte die Klinke herunter und schob die Tür auf. »Der Junge, Domna«, meldete er.
Wieder konnte Elidar nicht hören, ob jemand antwortete.
Der Mann legte ihr die Hand zwischen die Schulterblätter und schob sie unsanft ins Zimmer. »Benimm dich anständig«,
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