Elidar (German Edition)
und blickte auf. »Magnifizenz Sturm«, sagte er. »Seine Herrlichkeit erwartet Euch bereits.«
Sturm nickte würdevoll und wartete, dass der Mann sich erhob und ihm vorausging. Wieder liefen sie durch eine Flucht von Gängen, Sälen und Salons, bis sie schließlich vor einer Tür aus goldbeschlagenem Ebenholz standen. Der Mann klopfte leise an, wartete einen Augenblick und öffnete dann die Tür.
Elidar hatte alles Mögliche erwartet, aber ganz sicher nicht diesen recht kleinen, freundlichen Raum, der eher an Sturms Studierzimmer erinnerte als an einen hochoffiziellen Empfangssalon. Auch hier stand ein schlichter Schreibtisch am Fenster, der mit Papieren übersät war, und mitten im Zimmer eine kleine Gruppe von zierlichen Sesselchen um einen lackschwarzen, runden Tisch mit gebogenen Beinen. Ein Kamin mit aufgeschichteten Scheiten und ein paar goldgerahmte Bilder an den mit Seidentapeten bedeckten Wänden komplettierten die eher schlichte Einrichtung.
Der Mann am Schreibtisch ließ mit gerunzelter Stirn die Feder sinken und sah auf. Er nickte Sturm zu.
»Casarius«, sagte er. »Danke, dass du gekommen bist.«
Sturm neigte höflich den Kopf. »Es ist mir eine Ehre, Hilarius.« Er legte Valerian eine Hand auf die Schulter und schob ihn einen Schritt nach vorne. »Mein bester Schüler unter den Jüngsten.«
Der Mann am Schreibtisch würdigte Valerian keines Blickes. »Nehmt Platz«, sagte er. »Ich muss hier noch etwas fertig machen.« Er tunkte seine Feder ins Tintenfass und schrieb weiter.
»Setzt euch«, bedeutete Sturm den beiden Novizen. Er selbst blieb stehen, während Elidar und Valerian sich vorsichtig auf die hübschen Stühle sinken ließen.
Elidar nutzte die Gelegenheit, den mächtigsten Mann des ledonischen Imperiums eingehend zu betrachten. Sie war ein wenig enttäuscht. Der Kurator war von mittelgroßer, kräftiger Statur und hatte ein eckiges Gesicht, das weniger vornehm als vielmehr energisch wirkte. Seine sich lichtenden Haare waren ganz gewöhnlich braun, ebenso seine Augen, die Farbe seiner Haut erschien gesund und wettergegerbt, und die Kleider, die er trug, waren schlicht und praktisch. Alles in allem hätte sie den Kurator, wenn sie ihm auf der Straße begegnet wäre, für einen Viehhändler oder einen Offizier gehalten. Casarius Sturm mit seinem Stab, der schwarzen Robe und der großen Nase gab eine weitaus beeindruckendere Figur ab als seine Herrlichkeit.
Da legte der Kurator die Feder beiseite und sah auf.
»Dies sind zwei deiner jüngeren Novizen?«, eröffnete er die Unterhaltung.
Sturm nickte und wiederholte, was er über Valerian gesagt hatte. Der Kurator sah diesen immer noch nicht an. Sein Blick haftete auf Elidar, die ihn ungeniert erwiderte.
»Dieser Junge ist der Nachzügler, richtig?«, fragte er. »Kann er etwas Besonderes?«
Sturm runzelte die Stirn. »Meine Schüler sind keine Jahrmarktsattraktionen«, sagte er mit leisem Tadel. »Jeder von ihnen verfügt über ein vielversprechendes Talent, das allerdings noch einer gründlichen Ausbildung bedarf. Valerian ist …«
»Wie heißt dieser Junge?«, unterbrach der Kurator ihn.
Sturm kniff die Lippen zusammen. »Elidar«, erwiderte er kurz.
»So.« Der Kurator lehnte sich zurück und legte die Fingerspitzen vor dem Mund zusammen. »Elidar, komm her.«
Elidar gehorchte. Der Kurator musterte sie von oben bis unten. »Warum ist meine Gemahlin so sehr an dir interessiert, dass sie dich hierher einlädt?«, fragte er in freundlichem Ton.
Elidar öffnete den Mund und schloss ihn wieder. »Hat sie das?«, fragte sie schließlich.
Der Kurator nickte und schob ihr einen Brief hin. »Lies ihn, er ist für dich«, sagte er. Elidar nahm den Brief und sah, dass er geöffnet worden war. Das Siegel der Prinzessin, ein Drache mit geringeltem Schwanz, hing zerbrochen herab.
Sie blickte auf und sagte: »Das gehört sich aber nicht.«
Sie hörte, wie Sturm tief Luft holte. Der Gesichtsausdruck seiner Herrlichkeit veränderte sich jedoch nicht.
»Du dürftest es nicht«, sagte er, und seine Stimme klang erheitert. »Aber wenn ich es mache, ist es recht und billig. Das Leben ist kein Spielplatz, mein Junge.« Er fixierte Elidar unverwandt, und sie wich seinem Blick nicht aus.
»Ich bin nur ein Novize, und Ihr könnt mit mir ganz nach Eurem Belieben verfahren, Eure Herrlichkeit«, sagte sie. »Aber die Prinzessin Morgenblüte ist Eure Gemahlin, und ich frage mich, ob sie Euer Tun gutheißen würde.«
Der Kurator sah sie weiter
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