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Elidar (German Edition)

Elidar (German Edition)

Titel: Elidar (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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ungerührt an, aber Elidar bemerkte, dass sein Augenlid ein wenig zuckte. Anscheinend ließ ihn der Gedanke an einen Temperamentsausbruch der Prinzessin nicht vollkommen kalt.
    »Lies deinen Brief«, sagte der Kurator.
    Elidar faltete den steifen Bogen auseinander und sah mit leiser Verzweiflung auf die spinnenfeinen, zierlichen Buchstaben der Handschrift . Sie entzifferte mühsam die Anrede und den ersten Satz und rieb sich dabei ratlos über die Nase.
    »Du kannst doch lesen, oder?«, fragte der Kurator. Elidar hörte, wie Magnifizenz Sturm hinter ihr hüstelte.
    Elidar lächelte den Kurator an. »Ich kann die ledonische Schrift ausgezeichnet lesen, Eure Herrlichkeit. Aber diese Schrift hier bereitet mir Schwierigkeiten.« Sie reichte ihm den Brief. »Da Ihr den Brief ohnehin bereits gelesen habt - wäret Ihr so freundlich, mir vorzulesen, was Eure Gemahlin mir mitzuteilen wünscht?«
    Das Hüsteln Sturms hinter ihr klang jetzt eher wie ein Erstickungsanfall. Elidar ließ den Blick nicht von dem Gesicht vor ihr. Der Kurator hob um eine Winzigkeit seine Mundwinkel.
    »Du bist frech, kleiner Zauberlehrling«, sagte er. »Erkläre mir zuerst, warum du eine ganz normale Handschrift nicht zu lesen verstehst.«
    Elidar spürte einen Schweißtropfen über ihre Schläfe rinnen. Es war warm im Zimmer, oder kam es ihr nur so vor? »Ich bin in Yasaim aufgewachsen«, sagte sie. »Unsere Schriften unterscheiden sich voneinander.«
    »Ein kleiner Yasemit, sieh an«, sagte der Kurator überrascht. »Du siehst allerdings ledonisch aus. Ist dein Vater Ledonier?«
    Elidar zögerte. »Ja«, sagte sie und dachte an Luca. Er würde ihr diese Lüge sicher nicht übel nehmen. »Er ist Gardist.«
    Der Kurator nickte. »Die Prinzessin Morgenblüte entbietet dir ihren Gruß und fragt, ob du ihr die Freude machst, mit ihr eine Tasse Tee zu trinken«, sagte er. »Und ich möchte immer noch wissen, warum meine Gemahlin Umgang mit einem Novizen pflegt.« Er wartete.
    Elidar wischte sich verstohlen die Hände in den weiten Ärmeln trocken. »Sie hat mich dem Spinnenorden geschickt.«
    »Sie hat dich dem Spinnenorden geschickt.« Der Kurator lehnte sich vor. »Woher kannte sie dich?«
    »Sao-Tan hat mich ihr empfohlen«, erwiderte Elidar mit wachsender Verzweiflung. Sie steckte zwischen dem Hammer und dem Amboss - der Kurator durchbohrte sie mit Blicken, und sie fühlte die Anspannung seiner Magnifizenz in ihrem Rücken.
    Seltsamerweise schien ihre Antwort den Kurator zu befriedigen. Er ließ sich in seinen Stuhl zurücksinken und legte die Hände vor der Brust zusammen. »Sao-Tan«, sagte er mit deutlicher Verachtung. »Der unermüdliche Schatten meiner entzückenden Gemahlin. Und aus welchem Abfallhaufen hat er dich gegraben?«
    Elidar öffnete den Mund, um entgegen aller Vernunft eine heftige Erwiderung zu geben, aber ein scharfer Schmerz in ihren Schläfen ließ sie stumm bleiben. Sie schloss kurz die Augen und atmete tief ein und wieder aus. Der Schmerz verging so plötzlich, wie er gekommen war. Sie spürte, wie Magnifizenz Sturm hinter ihrem Rücken sich entspannte.
    »Casarius, wolltest du etwas sagen?«, fragte der Kurator mit samtweicher Stimme.
    »Elidar ist ein Novize im ersten Abschnitt«, erwiderte Sturm ruhig. »Er, wie jeder, der meinem Orden angehört, hat seine Vergangenheit und seine Familie hinter sich gelassen und ist ein Kind der Dunklen Nigh.«
    Der Kurator verzog den Mund, aber er ließ nun von Elidar ab und wandte sich Sturm zu. Elidar zog sich an Valerians Seite zurück und trocknete ihre Stirn.
    »Dein Amtsbruder Calixtus Sarcinor hat mich um meine Hilfe gebeten«, sagte der Kurator.
    Elidar sah den angewiderten Blick Sturms. Calixtus Sarcinor vom Orden des Glühenden Salamanders war sein Intimfeind. Ein Gerücht besagte, dass beide Magier ihr Noviziat gemeinsam in einem Abschnitt verbracht hatten, und dass sie damals die allerengsten Freunde gewesen seien. Aber freundschaftliche Beziehungen unter Magiern waren ein zweischneidiges Ding, und wenn das Noviziat beendet war, gehörten auch Freundschaften meist der Vergangenheit an. Elidar musterte den neben ihr sitzenden Valerian mit einem plötzlichen Gefühl des Verlustes und der Trauer. Würden auch sie sich irgendwann einmal gleichgültig sein oder einander gar hassen?
    Valerian, der ihren Blick gespürt hatte, sah sie an. Er schien ähnliche Gedanken gehegt zu haben, denn seine Miene zeigte Bedauern. Dann hob er die Schultern und flüsterte: »Niemals!«
    »Niemals«,

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