Elina Wiik - 02 - Sing wie ein Vogel
Fremden nicht gern zugibt. Er ist hin und wieder hergekommen, hat meine Wohnung durchsucht und alle Flaschen ausgeleert, die er fand. Er besaß einen eigenen Schlüssel und hat nicht mal geklingelt. Und dann hielt er mir Standpauken. Dass ich aufhören soll zu trinken und so weiter. Statt mich einfach zu akzeptieren, wie ich bin. Das wäre viel besser gewesen als sein ständiges Gemecker.«
»Wann haben Sie ihn das letzte Mal getroffen?«
»Ich erinnere mich nicht genau. Vielleicht vor etwas mehr als einem Monat.«
»Und was haben Sie am Mittwoch vergangener Woche gemacht?«
»Keine Ahnung. Ich war wohl zu Hause. Oder in irgendeinem Pub. Warum fragen Sie danach?«
»Versuchen Sie sich zu erinnern. Haben Sie Mittwochabend jemanden getroffen?«
»Ich weiß ja nicht mal, wo ich war. Wie soll ich dann wissen, ob ich jemanden getroffen habe? Ich treffe immer Leute.«
Elina erhob sich. Sie brachte es nicht über sich, die Flasche wieder auf den Tisch zu stellen.
»Vielen Dank für das Gespräch. Ich muss jetzt gehen.«
»Ich dachte, Sie wollten mit mir über meinen Vater sprechen.«
»Vielleicht ein anderes Mal. Auf Wiedersehen.«
Vor der Haustür holte Elina tief Luft und trat auf die Straße. Sie drehte sich zum Küchenfenster um. Elisabeth Åkesson war nicht zu sehen.
Henrik Svalberg parkte das Auto vor Wiljam Åkessons Haus, direkt vor der Absperrung. Es war fünf Uhr nachmittags, es war Donnerstag und er hatte warten wollen, bis die Leute von der Arbeit nach Hause kamen.
»Wir arbeiten uns vom Haus systematisch vor«, sagte er zu Jan Niklasson, der neben ihm stand. »Oder was meinst du?«
»Klingt vernünftig«, meinte Niklasson. »Nimm du die linke Straßenseite, dann fang ich mit der rechten an. Uns bleibt wohl nichts anderes übrig, als die ganze Gegend abzuklappern.«
Jan Niklasson war der ältere und erfahrenere von beiden, außerdem war er Kriminalinspektor. Svalberg hatte sich um denselben Posten beworben wie Elina und musste nun weiter als Kriminalassistent ausharren. Svalberg gehörte jedoch zum Ermittlungsteam, während Niklasson nur am Anfang dabei sein sollte. Beide taten also, als würde Svalberg die Tür-zu-Tür-Befragung leiten.
Svalberg ging zu dem Haus, das gegenüber von Åkessons lag. Es war ein großes gelbes Holzhaus und er betrachtete eine Weile die Fassade. Sein Blick bekam etwas Träumerisches. So ein Haus würde er sich niemals leisten können, nicht einmal, wenn er die ersehnte Stelle bekäme.
Ein Audi und ein kleiner Volkswagen standen in der Auffahrt. Svalberg ging zur Haustür und klingelte. Eine Frau in Jeans öffnete; sie war blond und ungeschminkt. Er hielt ihr seinen Ausweis hin.
»Entschuldigen Sie, wenn ich störe«, sagte Svalberg und stellte sich vor. »Ich ermittle in dem Mord an Ihrem Nachbarn. Haben Sie möglicherweise etwas beobachtet, was uns weiterhelfen könnte?«
»Vielleicht«, sagte die Frau. »Aber wie soll ich wissen, was Ihnen bei den Ermittlungen helfen könnte? Vielleicht stellen Sie lieber konkrete Fragen.«
Svalberg schwieg verlegen.
»Ich bin Journalistin«, fuhr sie fort. »Allgemeine Fragen ziehen in der Regel wenig aussagekräftige Antworten nach sich. So meine ich das. Aber kommen Sie herein, dann werden wir weitersehen. Ich heiße Agnes Khaled. Mein Mann ist Palästinenser, falls Sie sich über den Nachnamen wundern.«
Svalberg zog seine Schuhe im Vorraum aus und wurde in die Küche geführt, wo sie ihm einen Stuhl anbot.
»Möchten Sie eine Tasse Kaffee?«, fragte sie.
»Ja, gerne«, erwiderte Svalberg. »Sagen Sie mir, wann Sie Åkesson das letzte Mal gesehen haben.«
Zu seinem Erstaunen lachte sie.
Er rutschte nervös auf dem Stuhl herum. Er war es nicht gewohnt, dass Zeugen sich über seine Verhörtechnik lustig machten.
»Ich habe ihn an demselben Abend gesehen, an dem er ermordet wurde«, sagte sie dann lässig.
»Und wann genau?«, fragte Svalberg. Er versuchte seine Verwunderung darüber zu verbergen, dass sie ihrer Sache so sicher war, was den Mordabend anging.
»Es war Viertel vor sechs. An dem Abend ist er gleichzeitig mit mir nach Hause gekommen. Wir haben einander gegrüßt. Wir kennen uns … kannten einander. Freundschaftlich als Nachbarn, beruflich in unseren jeweiligen Funktionen – als Journalistin und Politiker. Åkesson akzeptierte es, dass ich ihm als Journalistin häufig insistierende Fragen stellte. Hinterher war er nie sauer auf mich.«
»Und freundschaftlich? Bedeutet das, dass Sie ihn gut
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