Elina Wiik - 02 - Sing wie ein Vogel
Sozialdemokratie gesagt hatte. Aber wenn sie ihn zitierte, würde sie ihr eigenes Privatleben in die Ermittlung einbeziehen. Dagegen hatte sie immer einen starken Widerwillen empfunden. Diesmal gab es einen weiteren Grund, sich zurückzuhalten, einen Grund, zu dem ihre Gedanken gegen ihren Willen immer wieder zurückkehrten.
Hat er sich geduckt?, fragte sie sich zum wiederholten Male. Warum? Oder bilde ich mir das nur ein?
»Ich schließe mich Henriks Meinung an«, sagte sie stattdessen. »Es klingt vollkommen plausibel. Aber diese Statements sind typisch für die Parteiorganisationen des Landes. Das weiß ich von Leuten, mit denen ich gesprochen habe. Es erklärt nicht, warum Ingvar Carlsson sich eingemischt hat. Falls er es wirklich getan hat.«
»Wenn das der Fall wäre, ist er der Einzige, der es erklären könnte«, sagte Kärnlund. »Und das kann oder will er nicht.«
Henrik Svalberg blätterte in seinem Block.
»Die Tür-zu-Tür-Befragung ist abgeschlossen«, sagte er. »Einige Nachbarn haben Åkesson an jenem Abend zu Fuß nach Hause kommen sehen. Die wichtigste Zeugin heißt Agnes Khaled, sie wohnt im Haus gegenüber. Sie ist sicher, gesehen zu haben, dass er an dem Tag, als er im Rathaus verabschiedet wurde, um viertel vor sechs nach Hause kam. Ihr ist aufgefallen, dass er an jenem Abend kein Licht eingeschaltet hat, was er sonst immer tat, egal, ob er zu Hause war oder nicht. Agnes Khaled sagt, das hätte er spätestens um halb acht tun müssen. Daraus kann man folgern, dass er nicht in der Lage war, es zu tun, da er zwischen Viertel vor sechs und halb acht ermordet wurde. Das stimmt außerdem mit dem Todeszeitpunkt überein, den der Gerichtsmediziner ermittelt hat.«
»Es ist niemand gesehen worden, der während des Tages das Haus durch die Haustür betreten hat«, fügte Rosén hinzu. »Es könnte natürlich trotzdem passiert sein. Meiner Meinung nach erhöht das jedoch die Wahrscheinlichkeit, dass der Mörder durch ein Fenster hinten im Haus eingestiegen ist. Um dahin zu gelangen, muss man zwar über das Grundstück gehen, aber das Fenster selbst ist vor Einsicht geschützt.«
»Es ist niemand gesehen worden, der sich auffällig verhalten hat«, stellte Svalberg fest.
»Und was ist nun das Ergebnis unserer Ermittlung?«, fragte Kärnlund.
»Haben wir aus Luleå Auskunft bekommen, wer der Mann auf dem Foto ist?«, fragte Elina, an John Rosén gewandt.
»Noch nicht«, antwortete er. »Im Lauf der Woche vielleicht. Wir müssen neue Anstrengungen unternehmen, müssen, wie du gesagt hast, tiefer graben, und zwar schnell. Ich habe das Gefühl, die Zeit läuft uns davon.«
Elina hatte sich um acht Uhr mit Susanne verabredet, wenn Emilie eingeschlafen wäre. Am Telefon hatte sie nur angedeutet, dass sie Hilfe brauchte, aber nicht gesagt, worum es ging.
»Johan hat sie ins Bett gebracht«, berichtete Susanne, als sie Elinas Wohnung betrat. »Er war noch bei ihr, als ich ging, aber sie schien ruhig einzuschlafen.«
»Was möchtest du trinken?«, fragte Elina. »Kaffee, Tee oder vielleicht ein Bier?«
»Gern ein Glas Wein, wenn du hast. Ich geh so selten am Abend aus.«
Elina suchte im Vorratsschrank und fand eine halb volle Rotweinflasche, die sie auf den Couchtisch stellte.
»Für die Qualität kann ich nicht garantieren«, sagte sie. »Der steht schon eine Weile offen.«
»Aber was ist passiert?«, fragte Susanne, als sie sich Elina gegenübergesetzt hatte. »Du klangst so gedämpft am Telefon.«
»Ich hab mich in etwas reingeritten. Darüber muss ich mit dir reden. Außerdem benötige ich professionellen Rat. Von dir als Anwältin. Tatsache ist, dass ich vermutlich einen Verteidiger brauche. Ist es in Ordnung, wenn ich dich um Rat frage? Ich meine, dass ich deine Kenntnisse nutze? Gratis?«
»Hör doch auf«, wehrte Susanne lächelnd ab. »Wenn ich auf der Straße überfallen werde, würdest du dann nicht eingreifen, nur weil du gerade nicht im Dienst bist? Nun sag schon, um was geht es?«
Susanne hörte zu, ohne sie zu unterbrechen, während Elina erzählte, was sich in dem Gartenlokal zugetragen hatte.
»Das sieht dir ähnlich«, meinte sie, als Elina fertig war.
»Wieso?«
»Immer regst du dich auf, wenn Leute sich danebenbenehmen. Sonst hast du jede Menge Geduld, aber in solchen Situationen lässt du dich zu sehr von deinen Gefühlen leiten.«
»Ich bin doch kein Hitzkopf!«
»Ach nein? Wie lange kennen wir uns schon? Ich könnte dir wenigstens fünf Gelegenheiten aufzählen,
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