Elina Wiik - 02 - Sing wie ein Vogel
habe noch nie eine so ideenlose Mordermittlung erlebt.«
Niemand sagte etwas. John Rosén hatte sich schräg neben Kärnlund gesetzt und schaute auf den Tisch. Henrik Svalberg schüttelte den Kopf. Erik Enquist stützte seinen Kopf in die Hände. Elina notierte etwas.
»Die Medien fangen an, sich über uns lustig zu machen«, sagte Kärnlund, »was wissen die schon.«
»Wir müssen tiefer graben, die Geheimnisse in Åkessons Leben ergründen«, sagte Elina. »Denn natürlich gibt es die. Jeder hat Geheimnisse. Was uns von Wiljam Åkesson unterscheidet, ist, dass unsere Geheimnisse nicht zu unserem Tod führen. John und ich hatten die Idee, dass Åkesson homosexuell oder bisexuell gewesen sein könnte. Wir haben nicht direkt gefragt, aber wir haben das Thema bei unseren Vernehmungen angesprochen, ohne etwas herauszubekommen.«
»Sex oder Geld«, knurrte Kärnlund. »Eins von beidem. So ist das fast immer bei geplanten Morden.«
Elina blätterte in ihrem Notizbuch.
»Heute Morgen hab ich mit einer Frau gesprochen, mit der Åkesson zwischen 1986 und 1990 viel Kontakt hatte. Ich habe einen Hinweis bekommen, dass sie vielleicht seine Geliebte war. Aber sie bestreitet das und sagt, es sei ein rein platonisches Verhältnis gewesen. Ihr Eindruck von Åkesson war, dass er nicht besonders an Sex interessiert gewesen sei.«
»Wenn eine Frau so etwas sagt, könnte das nicht bedeuten, dass er eigentlich an Männern interessiert war?«, fragte John Rosén.
»Vielleicht«, erwiderte Elina. »Aber es ist ebenso denkbar, dass es stimmt. Vielleicht war er impotent.«
»In seinen Krankenakten gibt es keinen Vermerk, dass er wegen Impotenz behandelt wurde«, sagte Svalberg. »Ich habe alle durchgesehen. Er hatte einige geringfügige Beschwerden, aber keine Prostataprobleme oder etwas Ähnliches, das Impotenz verursachen könnte.«
Oskar Kärnlund unterbrach ihn.
»Woher weißt du das? Bist du vielleicht Arzt?«
»Ich habe bei seinem Arzt angerufen und mich erkundigt.«
»Okay«, sagte Kärnlund. »Aus alldem können wir also die Schlussfolgerung ziehen, dass wir bis jetzt nichts gefunden haben, was auf ein Motiv in Åkessons Sexleben hindeutet.«
»Das es vielleicht gar nicht gab«, fügte John Rosén hinzu.
»Genau das habe ich soeben festgestellt.« Kärnlund sah ihn wütend an. »Dass es kein Motiv in seinem Sexleben gibt.«
»Ich habe gemeint, dass es vielleicht überhaupt kein Sexleben gab«, entgegnete John Rosén ruhig.
Oskar Kärnlund warf den Kopf zurück.
»Wenn wir so weitermachen, erreichen wir nichts. Wie ist es mit Geld? Gibt es da etwas? Hat er zum Beispiel gespielt?«
»Auch dafür haben wir keine Hinweise gefunden«, sagte Elina. »Es gab keine Wettscheine, weder für Pferderennen, noch für Lotto, Toto oder Ähnliches in seinen Papieren. Niemand, den wir vernommen haben, hat erwähnt, dass er sich für Glücksspiele interessierte. Ich muss allerdings zugeben, dass wir nicht alle danach gefragt haben. Vielleicht sollten wir das tun.«
»Seine Finanzen waren in Ordnung«, sagte John Rosén. »Keine diesbezüglichen Probleme, soweit wir es rückblickend überprüfen konnten. Sein Einkommen war hoch und sicher. Das Haus in Blåsbo gehörte ihm. Es ist mindestens zweieinhalb Millionen wert. Mindestens! Es war mit nur 230000 beliehen. Auf zwei verschiedenen Konten hatte er fast 560000 Kronen. Keine Aktien, aber eine Lebensversicherung in einem Fond, der aus gestreuten Aktien bestand, die über eine Million wert sind.«
»Er ist am selben Tag ermordet worden, an dem er pensioniert wurde«, sagte Oskar Kärnlund. »Was passiert mit der Lebensversicherung?«
»Sie geht an die Nachkommen«, sagte John Rosén, »die Töchter also.«
»Dann können sie sich über den Daumen gepeilt vier Millionen teilen«, sagte Kärnlund, »abzüglich Steuern. Die eine Tochter ist Alkoholikerin. Das schlimmste Problem für einen Alkoholiker ist ja, keinen Stoff im Haus zu haben. Schnaps kostet Geld. Das wäre doch ein denkbares Mordmotiv?«
»Schon«, sagte Henrik Svalberg, »aber gestern Abend habe ich mich in den Pubs nach ihr erkundigt. Im ›Stopet‹ habe ich einen Kellner getroffen, der mit absoluter Sicherheit sagen konnte, dass Elisabeth Åkesson am Abend des Mordes dort war. Er hatte die ganze Woche Tagesdienst und ist genau an dem Abend für eine Extra-Schicht eingesprungen. Er kennt sie gut, sie ist dort Stammkundin. Er hat um sechs angefangen und da war sie schon im Lokal. Sie ist geblieben, bis sie zumachten,
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