Elina Wiik - 02 - Sing wie ein Vogel
Wochenende noch nichts vor, wir müssen nämlich nach Göteborg fahren«, sagte er. »Geh nach Hause und pack zusammen, was du für ein paar Tage im Hotel brauchst. Ich weiß nicht, wie lange wir bleiben müssen.«
»Was ist passiert?«, fragte Elina.
»Das erzähl ich dir im Auto. Ich besorg uns ein Fahrzeug. In einer Stunde treffen wir uns, ich muss auch noch bei mir vorbeifahren und ein paar Sachen holen.«
Eine Stunde später fuhren sie in John Roséns BMW auf der E 18 in Richtung Göteborg. Sie hatten mehrere Minuten geschwiegen. Elina wartete darauf, dass ihr Kollege mit seinem Bericht beginnen würde. Erst als sie die Abzweigung nach Fagersta passiert hatten, fing er an.
»In der Polizeigarage standen zwei Autos«, sagte er. »Aber in solchen Schrottkarossen können wir doch nicht nach Göteborg fahren, oder?«
»John«, bat Elina.
»Es sind fast vierhundert Kilometer hin. Und vierhundert zurück. Wenn wir drei Tage bleiben, werden wir mindestens noch weitere vierhundert in der Stadt fahren. Göteborg ist viermal so groß wie Västerås. Wir brauchen ein gutes Auto.«
»John, wovon redest du?«
Er hielt das Steuer mit beiden Händen und schaute geradeaus. Nach einer Weile schaltete er das Radio an.
»Guter Song«, sagte er. » Desert Rose. Hat echten Schwung, von einem arabischen Sänger, dessen Namen ich nicht kenne. Ist vor einigen Jahren rausgekommen.«
Elina sah ihn von der Seite an. Die CD muss ich kaufen, dachte sie. Wie konnte die mir entgehen?
Keiner sagte etwas, bis sie an Köping vorbei waren.
»Jetzt erzähl endlich«, sagte Elina leise.
John Rosén seufzte.
»Vor ein paar Stunden hat mich Kriminalkommissar Gerhard Tallberg angerufen, mein Kollege aus Göteborg. Hast du von dem Mord an Erland Bergenstrand gelesen?«
»Ja, selbstverständlich. Der hat ja zum Glück Wiljam Åkessons Platz in der ständigen Beobachtung durch die Medien übernommen. Kannst du nicht endlich zur Sache kommen?«
»Gleich. Bergenstrand ist am Mittwoch in seinem Haus erschossen worden. Seine Frau hat ihn gefunden, als sie von der Arbeit kam. Tallberg wird uns mehr Details erzählen. Er wurde mit derselben Waffe wie Åkesson erschossen.«
Elina starrte John Rosén an, als ob sie ihn noch nie im Leben gesehen hätte.
»Was sagst du da?«, platzte sie heraus.
»Genau das.«
»Das darf nicht wahr sein!«
»Doch, es wurde schon bestätigt.«
Erst als sie Laxå passiert hatten, hörten sie auf, darüber zu spekulieren, wie die Morde zusammenhängen könnten. Ohne dass sie zu einer einleuchtenden Erklärung kamen. Elina lehnte den Kopf gegen die Nackenstütze und versuchte eine Weile zu schlafen. Doch ihre Gedanken hielten sie wach. Sie beugte den Kopf vor und massierte ihren Nacken mit der rechten Hand. Dann wandte sie sich wieder John Rosén zu.
»Darf ich dich etwas fragen? Etwas Privates?«
»Fragen darfst du.«
»Auf dem Namensschild an deinem Dienstzimmer steht John W. Rosén. Wie heißt du noch außer John?«
»Weine.«
Elina schwieg einige Sekunden, um diese Information zu verarbeiten.
»Du heißt also John Weine? Ist das richtig?«
John Rosén lächelte.
»Wie der Hollywoodstar?«, fragte Elina. »Nur auf Schwedisch?«
»Ja«, sagte er.
Sie unterdrückte ein Kichern.
»Entschuldige! Aber John Weine? Das ist etwas merkwürdig.«
»Nicht bei uns.«
»Wen meinst du mit uns?«
John Rosén blinkte rechts.
»Zeit, etwas zu essen«, verkündete er. »Ich hab Hunger.«
Er hatte Zimmer im Hotel »Eggers« am Drottningtorget gebucht. Auf dem Stadtplan hatte Elina gesehen, dass sie zu Fuß zum Polizeipräsidium gehen konnten. Aber nach Roséns Bemerkung über die Schrottkarossen vermutete sie, dass alle Fahrten in John Roséns BMW unternommen würden, wie kurz die Strecken auch sein mochten.
Sie saß auf dem Bett mit dem Stadtplan vor sich. In einer Viertelstunde würden sie sich auf ein Bier in der Bar treffen. Sie dachte an das, was John Rosén ihr über seinen Namen erzählt hatte.
Jeder hat ein Geheimnis, dachte sie. Auch John hat eins. Will er es verraten oder nicht? Und wen meint er mit »uns«? Seine Familie? Ich weiß nicht einmal, ob er verheiratet ist. Oder mit jemandem zusammenlebt. Oder ein Verhältnis mit einer Frau hat. Ich weiß nichts über ihn.
Elina war überzeugt, dass sie das Talent hatte, in relativ kurzer Zeit die Persönlichkeit von Menschen zu erkennen. Eine Begabung, die sie schon seit der Kindheit besaß und die sie dann im Beruf vielfach erprobt hatte. Aber bei John
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