Elina Wiik - 02 - Sing wie ein Vogel
später kam Erik Enquist herein. Er blieb an der Tür stehen und lehnte sich gegen die Wand. Svalberg gab ihm die Brieftasche.
»Kent Krall s Brieftasche«, sagte Enquist. »Wo haben Sie die gefunden?«
Er wandte sich zu der Frau auf dem Besucherstuhl um. Anna Mileva schaute zu ihm auf.
»Zu Hause bei einem Bekannten. Einem Mann, den ich kenne oder den ich zu kennen glaubte.«
»Erzählen Sie von Anfang an«, forderte Henrik Svalberg sie auf.
»Ich hatte den Schlüssel. Er war nicht zu Hause, also bin ich hineingegangen. Dann hab ich das da gefunden. Ich habe über diesen Mann in der Länstidningen gelesen. Ich weiß, dass er … ermordet wurde. Und dann die Brieftasche. Da kann etwas nicht stimmen. Deshalb bin ich hergekommen.«
Sie sah Henrik Svalberg bittend an.
»Ich war gezwungen, hierher zu kommen.«
»Gezwungen?«
»Ja. Gezwungen. Was sollte ich anderes tun?«
»Sie haben richtig gehandelt. Dafür sind wir Ihnen dankbar. Möchten Sie vielleicht eine Tasse Kaffee?«
Anna Mileva schüttelte den Kopf.
»Bei wem haben Sie die Brieftasche gefunden?«, fragte Enquist mit sanfter Stimme.
»Bei Olavi.«
Erik Enquist sah Henrik Svalberg an. Dann wandten sie sich beide Anna Mileva zu. Keiner von beiden sagte etwas.
»Olavi Andersson«, fuhr Anna Mileva fort. »Sie lag in seinem Flurschrank.«
»Das ist ja der, der …«
»Genau«, unterbrach Enquist. »Aber darüber reden wir später. Wissen Sie, wo Olavi Andersson im Augenblick ist?«
»Nein. Er hat gesagt, dass er in diesen Tagen ziemlich häufig unterwegs sein würde. Deswegen habe ich seinen Schlüssel bekommen. Ich weiß nicht, wo er ist.«
»Würden Sie bitte einen Augenblick warten?«, bat Enquist. »Svalberg, lass uns mal eben in mein Büro gehen.«
In seinem Zimmer leerte Enquist den Inhalt der Brieftasche auf seinem Schreibtisch aus. Abgesehen von einem Ausweis gab es nur die Plastikkarte der Krankenversicherung mit Kent Kralls Namen. Kein Geld.
»Wir müssen sofort eine Hausdurchsuchung bei Olavi Andersson durchführen. Wenn wir ihn nicht fassen, müssen wir die Wohnung überwachen.«
»Was machen wir mit der Frau?«
»Sie soll bleiben, bis wir wiederkommen. Wenn wir ihn nicht sofort schnappen, besorgen wir ihr ein Hotelzimmer. Mit Bewachung. Lieber auf Nummer Sicher gehen. Ich rufe den Staatsanwalt an und hole mir die Genehmigung zur Hausdurchsuchung.«
Im selben Augenblick betrat Olavi Andersson seine Wohnung. Er zog seine Schuhe aus und ging zur Toilette. Als er seine Hände wusch, entdeckte er den blauen mit Wasser gefüllten Eimer auf dem Fußboden.
Das grün karierte Handtuch, dachte er.
Er ging sofort in den Flur und öffnete den Schrank, zog die Handtücher heraus und schüttelte sie. Er lief in die Küche und riss eine Schublade auf. Unter einem Besteckkasten aus Plastik lag ein Bündel Scheine, das er in die Hosentasche steckte. Dann ging er ins Zimmer und holte eine Tasche, die fertig gepackt an der Wand stand. Er zog seine Schuhe an, ging ins Treppenhaus, schloss die Tür ab und lief rasch die Treppe hinunter.
Draußen auf der Straße blieb er einen Moment stehen. Er wusste nicht, in welche Richtung er gehen sollte. Er winkte einem Taxi, das auf der Emausgatan gefahren kam.
»Zum Bahnhof, bitte.«
Auf der Kristiansborgsallén kam dem Taxi ein grauer Saab entgegen. Er hielt auf der Emausgatan und Henrik Svalberg und Erik Enquist stiegen aus. Beide schauten zu einem Fenster in dem roten Klinkerhaus auf. Das Fenster hatte keine Vorhänge.
Henrik Svalberg öffnete die Haustür mit dem Schlüssel, den er von Anna Mileva bekommen hatte. Er und Enquist brauchten nicht mehr als fünf Sekunden, um festzustellen, dass kein Mensch in der Wohnung war. Enquist nahm sein Handy und wählte eine Nummer.
»Niemand in der Wohnung«, sagte er und hörte eine Weile zu, bevor er auflegte.
»Kärnlund kümmert sich um die Bewachung«, sagte er und drehte sich zu Svalberg um. »Erkki kommt her, sobald er kann. Wir sollten uns mal umsehen, finde ich. Aber überlass ihm die Schubladen und Schränke.«
Drei Stunden später klingelte Elina Wiiks Handy.
»Elina, hier ist Henrik. Wo bist du?«
»In der Stadt, ich hab privat etwas zu erledigen.«
»Kannst du herkommen? In Kärnlunds Büro, so schnell wie möglich. John ist schon unterwegs. Die Sonderkommission hat eine Besprechung.«
»Was ist passiert?«
»Viel. Viel. Komm schnell!«
Elina war etwas außer Atem, als sie Kärnlunds Büro betrat. Svalberg saß Kärnlund gegenüber, der
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