Elina Wiik - 02 - Sing wie ein Vogel
reichte ihr die rosa Kopie.
»Karl Andersson? Der Name sagt mir nichts. Er ist vermutlich ein Vertreter der interessierten Allgemeinheit.«
»Hat sich dieser Mann genau wie ich zuerst an Sie gewandt?«
»Nein, er brauchte nur oben im Forschungssaal um das Material bitten. Es ist für alle zugänglich.«
»Kann ich die Kopie behalten?«
»Klar, so was bewahren wir nicht auf.«
»Wissen Sie, ob in den letzten Monaten noch mehr Leute das Material einsehen wollten?«
»Der große Run darauf hat vor einem Jahr stattgefunden. Aber ich werde mal nachfragen.«
Inga-Lisa Lindmark hob den Telefonhörer ab und wählte eine kurze Nummer. Elina vermutete, dass sie den Mitarbeiter anrief, der sich an Engel erinnerte.
»Edvin hat nachgeschaut. Seit dem Jahreswechsel sind Sie die Einzige. Und dieser Mann, Karl Andersson.«
»Wie ist es mit dem Archivverzeichnis? Ich finde mich nicht darin zurecht und weiß nicht, was sich hinter den Überschriften verbirgt.«
»Bitten Sie um das Material, dann werde ich erneut überprüfen, ob etwas darunter ist, das der Geheimhaltung unterliegt. Aber vermutlich dürfen Sie alles lesen. Ehrlich gesagt bezweifle ich, dass etwas dabei ist, was Sie weiterbringt. Aber ich werde es rasch prüfen. In einigen Tagen.«
»Danke, und auf Wiedersehen.«
Elina ging zu ihrem Auto und entdeckte, dass sie vergessen hatte, Geld in den Automaten zu stecken, und einen neuen Strafzettel bekommen hatte.
Die erste Gehaltserhöhung löst sich in Luft auf, dachte sie und zog eine Grimasse, als sie die Summe sah. Falls ich überhaupt eine bekomme.
Ins Polizeipräsidium zurückgekehrt, ging sie direkt hinauf zu John Rosén und klopfte an seine Tür. Wie üblich erhob er sich vom Schreibtisch und öffnete ihr.
»Ich habe gerade einen Anruf vom Kollegen in Luleå erhalten«, sagte er. »Er hat alle Kommunisten verhört, die aufzutreiben waren. Keiner von ihnen kannte das Bild. Oder besser gesagt, niemand wusste, bei wem es an der Wand gehangen haben könnte. Viele glaubten es schon einmal gesehen zu haben. Aber der Kollege meint, das kommt daher, dass Gemälde von Elchen genauso häufig vorkommen wie Elche im Wald. Wie ist es dir ergangen?«
»Es hat nicht viel gebracht. Keines der Dokumente, die ich gelesen habe, enthielt etwas Interessantes. Es gibt noch mehr Material und ich habe beantragt es einsehen zu dürfen. Es dauert einige Tage, sie müssen erst prüfen, inwieweit es geheim ist. Aber die verantwortliche Person hat mir nicht viel Hoffnung gemacht, dass es was bringt …«
Sie griff in ihre Handtasche und fischte den rosa Zettel heraus.
»An einen der Kartons war das hier geheftet«, sagte sie, »die Kopie einer Bestellung. Man muss immer erst unterschreiben, ehe einem das Material ausgehändigt wird. Das Original befindet sich im Kriegsarchiv. Dies ist die einzige Person, die sich in diesem Jahr für die IB-Dokumente interessiert hat. Außer uns.«
John nahm ihr den Zettel aus der Hand und las den Namen.
»Vielleicht ist das wichtig«, sagte Elina. »Ein gewöhnlicher Name, der auf ›son‹ endet – Andersson.«
»Der Gemäldebesitzer?«
»Vermutlich nicht. Aber trotzdem.«
John Rosén öffnete eine Mappe, die auf seinem Schreibtisch lag, und blätterte, bis er zu zwei zusammengehefteten DIN-A4-Blättern kam.
»Das ist die Liste mit den Namen der Kommunisten, die der Kollege in Luleå bekommen hat. Ungefähr ein Drittel davon hat er gefunden. Viele sind verstorben oder nicht mehr aufzufinden.«
Er setzte sich die Brille auf und fuhr mit dem rechten Zeigefinger an der Namensliste entlang.
»Bertil Andersson … Hugo Andersson …«
Er drehte das erste Blatt um und suchte weiter.
»Karl Andersson!«
Elina spürte, wie ein Ruck durch ihren Körper ging.
John Rosén hob den Telefonhörer ab und wählte eine Nummer mit der Vorwahl 0920. Er stellte sich mit seinem Namen und als Inspektor vor. Das folgende Gespräch war kurz.
»Karl Andersson war eine der Personen, die nicht mehr auffindbar waren«, verkündete er, nachdem er aufgelegt hatte. »Der Kollege hat auch keine Informationen über ihn. Ob er tot ist oder lebendig und wo er wohnt, wenn Letzteres zutrifft.«
»Wir müssen ihn bitten, die Befragten noch einmal aufzusuchen. Und sich bei ihnen nach Karl Andersson zu erkundigen.«
»Nichts besagt, dass dein Karl Andersson …«
Er wedelte mit der rosa Kopie.
»… identisch ist mit diesem Karl Andersson. Das ist vermutlich der häufigste schwedische Name. Aber wir werden es
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