Elina Wiik - 02 - Sing wie ein Vogel
natürlich versuchen.«
»Lass uns mal nachdenken«, sagte Elina und faltete die Hände wie zu einem stillen Gebet. »Nehmen wir an, dass Karl Andersson der Gemäldebesitzer ist. Nehmen wir an, er war auch IB-Agent, genau wie Åkesson und Bergenstrand. Nummer 252. Nehmen wir an, er ist der Mörder. Warum sollte er sich dann für das IB-Material interessieren? Fast zwei Wochen, nachdem er Bergenstrand erschossen hat? Und vier Wochen, nachdem er Åkesson erschossen hat?«
Auch John Rosén faltete die Hände hinter seinem Schreibtisch. Schweigend saßen sie da und schauten sich an.
»Mir fällt eigentlich nur ein einziger Grund ein«, erklärte Rosén schließlich.
»Mir auch. Du zuerst.«
»Aus demselben Grund wie wir.«
»Genau.«
»Er wollte wissen, ob sein Name in dem Material auftaucht. Ob da etwas ist, das ihn mit Åkesson und Bergenstrand in Zusammenhang bringt.«
»Genau das hab ich auch gedacht. Er ist nervös geworden. Er rechnet damit, dass wir die Verbindung zwischen Åkesson und Bergenstrand herausgefunden haben. Und er ist der dritte Mann.«
John Rosén blätterte in den Papieren.
»Hier«, sagte er, »wenn wir Glück haben, machen wir sofort einen Fang.«
Er hob den Telefonhörer wieder ab und drückte eine weitere Nummer mit der Vorwahl 0920. Dann schaltete er die Mithöranlage ein.
Nach einer Weile meldete sich eine Frauenstimme.
»John Rosén von der Polizei in Västerås. Ich habe vor einigen Tagen Ihre leckeren Hefewecken gegessen.«
»Natürlich erinnere ich mich an Sie. Sie haben aber Glück, dass Sie mich erwischen. Ich muss gleich los zur Nachmittagsschicht.«
»Haben Sie noch ein paar Minuten Zeit?«
»Na klar.«
»Bei mir im Zimmer ist meine Kollegin Elina Wiik. Sie kann mithören, was Sie sagen.«
»Huch.«
John Rosén lachte.
»Sie haben gesagt, der Besitzer des Gemäldes hatte einen gewöhnlichen Namen. Erinnern Sie sich, dass Sie das gesagt haben?«
»Noch bin ich nicht ganz senil.«
»Könnte es Karl Andersson gewesen sein?«
»Karl Andersson?«
Einige Sekunden war es still.
»Ich weiß es nicht. Vielleicht. Aber wenn ich ehrlich sein soll, muss ich zugeben, dass ich mich nicht erinnere.«
»Erinnern Sie sich vielleicht an jemanden, der so hieß? Mit oder ohne Gemälde?«
Wieder war es einige Sekunden still.
»Nein, Herr Rosén. Es könnte jemanden mit dem Namen gegeben haben. Aber ich weiß es nicht. Es ist schon so lange her. Und so einen Namen merkt man sich ja auch nicht unbedingt. Rosén prägt sich leichter ein.«
»Bitte, denken Sie nach. Melden Sie sich, wenn Ihnen etwas einfällt.«
»Das werde ich tun.«
Rosén drückte auf die Gabel und wählte eine neue Nummer.
»Du hast es gehört«, sagte er zu Elina. »Jetzt werde ich eine andere Person testen.«
Schon nach dem ersten Klingelzeichen meldete sich jemand.
»Curt Waldemarsson.«
John Rosén erklärte sein Anliegen.
»Natürlich erinnere ich mich an einen Kommunisten mit Namen Karl Andersson«, sagte die Stimme. »Ich erinnere mich daran, weil es ein ziemlich trauriger Fall für die Personalabteilung war.«
Elina saß kerzengerade da und starrte auf das Telefon.
»Erzählen Sie«, sagte Rosén.
»Der genaue Hintergrund ist mir nicht bekannt. Aber ich hatte mit dem Fall zu tun. Es war Anfang oder Mitte der sechziger Jahre. Nichts Ungewöhnliches, aber es ging schlecht aus.«
»Was ist passiert?«, fragte Elina laut.
»Wer war das?«, erkundigte sich Curt Waldemarsson.
»Meine Kollegin Elina Wiik. Wir sitzen in meinem Büro und sie kann über Lautsprecher mithören.«
»Aha. Jedenfalls, dieser Karl Andersson fing an zu saufen. Er kam angetrunken zur Arbeit, trotz mehrerer Verwarnungen. Die ersten Male hab ich ihn nach Hause geschickt. Als das nichts half, sperrte ich ihn aus. Man konnte ja keine Betrunkenen herumstolpern lassen, das Werk ist ein gefährlicher Arbeitsplatz. Er hätte sich oder anderen Schaden zufügen können. Als das auch nichts half, mussten wir ihn entlassen.«
»War Bergenstrand damit einverstanden?«, fragte Rosén.
»Selbstverständlich. Er hat die endgültige Entscheidung getroffen.«
»Wissen Sie, was aus Karl Andersson geworden ist?«
»Nein, aber ich weiß, dass ich ihn irgendwann später mal in der Stadt gesehen habe. Betrunken und vermutlich arbeitslos. Aber das war nicht sehr lange danach.«
»Wissen Sie, ob es einen besonderen Grund gab, dass er mit dem Trinken angefangen hat?«
»Nein … aber ich erinnere mich dunkel, dass Gerüchte über ihn im
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