Elina Wiik - 02 - Sing wie ein Vogel
mit den Fingern auf die Schreibtischplatte trommelte. Erik Enquist stand, gegen einen Archivschrank gelehnt. Sie konnte die Tür nicht hinter sich schließen, weil Rosén eben an der Klinke zog. Er trat wortlos ein.
»Macht die Tür zu«, sagte Kärnlund. »Und hört zu, was Henrik und Erik zu berichten haben. Die Sonderkommission ist dabei, ihren ersten Fall zu lösen.«
»Heute Vormittag erschien eine Frau mit Henrik Kralls Brieftasche«, berichtete Enquist ohne Erregung in der Stimme. »Es gibt keinen Zweifel, denn sein Ausweis befand sich noch darin. Und wir haben keine Brieftasche am Tatort gefunden.«
»Sie hat sie in der Wohnung bei einem von Kralls Kunden entdeckt«, warf Svalberg ein. »Mit dem sie zusammen ist. Ein Mann, den wir schon mal verhört haben, du auch, Elina.«
»Ich?«
»Erinnerst du dich an Olavi Andersson?«, fragte Enquist. »Ich hab auf ihn aufmerksam gemacht, weil er Elisabeth Åkesson kannte.«
»Olavi Andersson! Der? Natürlich erinnere ich mich. Und jetzt weiß ich auch, wer die Frau ist. Anna Mileva.«
»Woher weißt du das?«, fragte Kärnlund und sah zu Elina, die mitten im Raum stand.
»Weil ich Olavi Andersson an einem Abend beschattet habe. Da habe ich sie mit ihm zusammen gesehen. Ich bin ihnen bis zu einem Haus in der Mästargatan gefolgt. Dann habe ich mich informiert, wer dort wohnt. Anna Mileva.«
»Warum hast du ihn beschattet?«, fragte Kärnlund noch erstaunter. »Sag jetzt nicht, du hattest das Gefühl, dass mit ihm was nicht stimmt.«
»Doch, deswegen. Da war irgendetwas, das er beim Verhör über Elisabeth Åkesson gesagt hat. Ich hatte das Gefühl, er wusste etwas. Jedenfalls mehr, als er zugeben wollte.«
»Du und deine Intuition«, sagte Svalberg mit unfreiwilliger Bewunderung in der Stimme. »Aber du scheinst Recht gehabt zu haben, auch wenn es uns in dem Moment nicht geholfen hat.«
»Olavi Andersson hat also Kent Krall ermordet«, sagte Rosén. »Und seine Brieftasche gestohlen. Ein Raubmord. Das ist die Schlussfolgerung. Wenn er nicht eine verdammt gute Erklärung dafür hat, warum sich die Brieftasche in seiner Wohnung befand. Ist er schon gefasst?«
»Nein«, erwiderte Enquist. »Wir wissen nicht, wo er ist. Die Fahndung nach ihm läuft und seine Wohnung wird überwacht.«
»Gratuliere zu dem Erfolg«, sagte Elina. »Ihn zu schnappen kann jetzt ja nur noch eine Frage der Zeit sein. Aber warum habt ihr John und mich gerufen?«
»Nun schließlich sind wir eine Mannschaft«, sagte Kärnlund. »Da unsere Ermittlungen so weit gediehen sind, müssen wir einander helfen weiterzukommen. Außerdem hast du ihn verhört. Ist dir abgesehen von deinem Gefühl sonst noch etwas an Olavi Andersson aufgefallen? Etwas, das jetzt von Wert sein könnte?«
Elina schwieg eine Weile und rieb sich das Kinn.
»Im Augenblick fällt mir nichts ein.«
Oskar Kärnlund wandte sich John Rosén zu.
»Bevor wir in der Sache weitermachen, könntest du uns vielleicht eine kurze Zusammenfassung geben, wie weit du und Elina in euren Ermittlungen gekommen seid?«
»Im Augenblick versuchen wir einen Mann zu finden, von dem wir nur den Namen kennen. Wir glauben, es könnte der Mörder sein. Er heißt Karl Andersson und ist …«
»Was sagst du da?«, unterbrach Enquist ihn heftig.
»Wir suchen nach einem Mann, der Karl Andersson heißt.«
Enquist starrte Rosén an und dann Elina.
»Olavi Andersson heißt Karl. Er heißt Karl Olavi Andersson.«
Rosén starrte zurück.
»Was?«
»Wir suchen nach zwei mutmaßlichen Mördern, die beide Karl Andersson heißen«, konstatierte Enquist. »Unglaublich! Was für ein Zufall!«
»Wirklich, ein Zufall«, sagte Svalberg verblüfft.
Elina nickte, erstarrte jedoch in der Bewegung.
»Oder vielleicht …«
»Vielleicht was?«, hakte Kärnlund nach.
Sie antwortete nicht. Ihr Blick schien einen unbestimmten Punkt an der Decke zu fixieren.
»Vielleicht was?«, wiederholte Kärnlund sanft.
»Vielleicht ist es mehr als ein Zufall. Vielleicht eine Konspiration. Jetzt ist mir eingefallen, was Olavi Andersson gesagt hat. Zuerst nannte er Åkesson einen
›Singvogel‹. Mir kam es seltsam vor, dass er wusste, dass Åkesson in einem Chor sang, der ›Die Singvögel‹ heißt. Jedenfalls seltsam, dass er eine Assoziation dazu hatte. Vermutlich hat das meine Sinne geschärft. Kurz darauf fragte er, ob ich wüsste, wer den ›Chemiker‹ und Åkesson ermordet hat.«
»Ja?«, sagte Kärnlund. »Und?«
»Er fragte nicht nach mehreren Personen, als
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