Elina Wiik - 03 - Der tote Winkel
»Vielleicht können wir die Schuhmarke herausfinden, wenn wir die Bilder digital bearbeiten. Das gilt auch für die Hose. Jedenfalls handelt es sich nicht um eine Jeans.«
»Und was passiert hier am Schluss?«, fragte Rosén.
»Wie Elina sagt«, meinte Svalberg. »Sie verliert die Kamera, die dann vermutlich auf einem Grasbüschel landet und schließlich ins Wasser gleitet.«
»Sie lag recht tief«, sagte Määttä.
»Das, was man ganz am Schluss sieht, ganz unten im Bild … das, was da kurz aufblitzt.« Rosén ließ das Video in Zeitlupe weiterlaufen und drückte dann auf Pause.
»Glaubt ihr, das könnte …?«
Alle schwiegen. Kärnlund holte tief Luft.
»Das ist die Axt.«
Määttä beugte sich rasch vor und spulte zurück. Er stellte lauter. »Hört genau hin! Direkt nach dem Zoom.«
Der Elch. Jetzt wird er größer. Alle schauten genauer hin, obwohl sie ja nur genauer hinhören sollten. Jemand sprach in einiger Entfernung.
»Nochmal«, sagte Svalberg.
Sie lauschten.
»Kann das Jamals Stimme unten vom Felsen sein? Spricht er mit dem Mörder oder mit Annika?«
»Hört noch einmal hin«, sagte Määttä und ließ das Band ein weiteres Mal zurücklaufen. »Das klingt wie ein ks. «
»Oder ein x« ,meinte Elina. »Vielleicht sagt er ja Axt. Er sieht, dass die Person eine Axt trägt, und kommentiert es.«
»Vielleicht glaubt er, dass es sich um einen Holzfäller handelt«, meinte Kärnlund.
Määttä spulte noch einmal zurück und drückte wieder auf Play. »Es wird noch etwas gesagt. Nach einer kurzen Pause und nicht mit denselben Worten. Klingt das nicht wie is? Meist hört man den S-Laut am besten.«
»Ks, is« ,sagte Rosén. »Vielleicht ergibt eine akustische Analyse ja noch mehr.«
»Falls das Jamals Stimme sein sollte, dann glaube ich, dass er mit dem Mörder spricht«, meinte Elina. »Annika stand ein ziemliches Stück entfernt. Wenn er mit ihr gesprochen hätte, dann hätte er gerufen.«
»Und wenn er sich bedroht gefühlt hätte, dann hätte er geschrien«, sagte Rosén. »Er erkundigt sich vielleicht ganz ruhig nach der Axt.«
»Vielleicht spricht der Mörder auch mit Jamal«, meinte Enquist.
Määttä hielt die DV-Kassette in die Luft. »Das geht jetzt ans Staatliche Kriminaltechnische Labor. Wir haben hier nicht die Ausrüstung, um die Geräusche zu analysieren.«
Einer nach dem anderen verließ das Besprechungszimmer. Elina war die Letzte. Sie rief Määttä hinterher: »Erkki! Kannst du noch mal zurückkommen?«
Er drehte sich um, und Elina streckte die Hand nach der DV-Kassette aus.
»Ich würde sie gerne noch einmal anschauen.«
Und dann noch einmal. Nach dem dritten Mal starrte sie ins Leere.
»Willst du dich in Hass-Stimmung bringen?«, fragte Määttä, nachdem er vergeblich auf ihren Kommentar gewartet hatte.
»Nein. Das ist es nicht. Da ist etwas. Etwas, was …«
Erkki Määttä wartete.
»… was wir sehen, aber doch nicht sehen.«
»Du meinst, dass wir die Sequenz der Ereignisse falsch deuten? Dass da eigentlich etwas anderes passiert?«
»Nein, das vielleicht nicht. Wir übersehen etwas.«
»Woher willst du das wissen?«
»Weil ich einen Flashback habe. In der Szene ist etwas, was ich schon einmal gesehen oder erlebt habe. Aber irgendwie anders oder irgendwo anders.«
»Vielleicht in einem Traum? Und ich mache mich jetzt nicht über dich lustig.«
»Das ist mir klar, Erkki. Aber das glaube ich nicht. Es ist zu wirklich.«
Elina betätigte die Eject-Taste und drückte Määttä die Kassette in die Hand.
»Zum SKL«, sagte sie. »Vielleicht hilft das ja.«
Elina und Svalberg teilten die Telefonnummern untereinander auf. Sie saßen sich in ihrem Büro am Schreibtisch gegenüber. Annika Lilja hatte mehrere Jahre lang ein Handy besessen, und die Liste der Teilnehmer, die sie angerufen hatte, war lang. Der Ausdruck der Nummern, die Jamal Al-Sharif angerufen hatte, war bedeutend kürzer. Er hatte sich sein Handy erst am 21. Mai 2003 zugelegt und es somit nur vier Monate lang verwendet.
Auf den ersten Blick war ersichtlich, dass sie vorwiegend miteinander telefoniert hatten. Auf beiden Listen strichen sie diese Nummern durch. Dann machten sie sich an Annikas Liste. Diese hatte recht oft ihre Eltern angerufen. Ebenfalls gestrichen. Der Arbeitsplatz, die Zentrale. Weiteres Durchstreichen. Dort immer wieder dieselbe Durchwahl. Elina griff zum Hörer und rief die Nummer der Zentrale an.
»Wer hat bei Ihnen die Durchwahl vier?« Sie wartete. »Danke.«
Elina
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