Elina Wiik - 03 - Der tote Winkel
anderen zu gefallen«, meinte Elina, während ein Strom anderer Interessenten an ihnen vorbeiging.
»Das bilden die sich nur ein«, meinte Susanne.
Stallhagen war Elinas Lieblingswohngegend in Västerås. Sie war sogar noch im Winterdunkel schön. Hier wohnten die reichen Leute, die Tennis mit den Nachbarn spielten und ein Segelboot in der Marina liegen hatten. Durch Stallhagen zu gehen, gab einem das Gefühl, über der immer ramponierteren Industriestadt zu schweben, jenseits der Probleme des Alltags. Obwohl das nur eine Schimäre war, gefiel sie Elina. Für sie war das unerreichbar, zumindest jetzt. Aber das Arbeiterkind in ihr hätte diesen Aufstieg gerne vollzogen.
Für Susanne und Johan war das Haus in Reichweite gerückt. Sie arbeiteten als Anwälte und verdienten beide, und eine Eigentumswohnung im Zentrum, die sie verkaufen konnten, war auch noch vorhanden.
Das Haus war so gediegen, wie der Preis nahelegte. Elina sah sich die anderen Interessenten an. Es war alles dabei, angefangen von Familien mit Kindern, die Erfolg ausstrahlten, bis hin zu älteren Paaren, die wohl kaum so viel Platz benötigten.
»Schau dir die mal an«, flüsterte Susanne und deutete auf einen Mann und eine Frau um die sechzig in alltäglicher Bekleidung. »Glaubst du, dass die mitbieten werden? Nie im Leben! Für die ist das ein Sonntagsvergnügen. Die wollen sehen, wie andere Leute wohnen. Ein Makler hat mir mal von ihnen erzählt. Weißt du, was er gesagt hat? Sie seien seine eigene kleine Verhandlungsdelegation. Alle wissen von ihnen, doch Makler und Verkäufer akzeptieren sie, obwohl sie nur Schaulustige sind. Aber beim Besichtigungstermin entsteht so der Eindruck, als gäbe es viele Interessenten, und der Preis steigt.«
»Fürchterlich«, meinte Elina, und es schauderte sie bei dem Gedanken, dass fremde Leute bei ihr hereinstiefeln könnten, um sich neugierig umzusehen.
»Was meinst du?«, fragte Susanne. »Was hältst du von dem Haus?«
»Etwas eng, oder? Nur sechs Zimmer. Wo soll ich da wohnen?«
»Im Keller natürlich!«
Susanne hatte sich entschieden. »Oder nicht?«, sagte sie zu Johan. »Sollen wir uns nicht noch andere ansehen?«, erwiderte er. »Das ist schließlich das erste Haus, das wir besichtigen.« Susanne sah ihn mitleidig an. »Ich habe den Überblick«, meinte sie. »Etwas Besseres taucht nicht auf. Verlass dich auf mich, Liebling!«
Sie küsste ihn leicht auf die Wange. Er lächelte und schüttelte den Kopf. Elina sah Susanne an. Ihre Freundin war in ihrem Element. Sie sah es schon vor sich, wie sie mit der Geschicklichkeit einer Anwältin in die Preisverhandlung eintreten würde. Die anderen würden keine Chance haben.
Susanne trat auf den Makler zu, der mit einem Block in der Hand in der Diele stand. Sie reichte ihm ihre Visitenkarte. »Ich bin interessiert«, sagte sie. »Wir können uns jederzeit handelseinig werden. Rufen Sie mich bitte heute Nachmittag an, dann gebe ich ein Gebot ab.«
»Das ist nett«, sagte der Makler, »aber es gibt noch weitere Interessenten.«
»Schon möglich«, sagte Susanne. »Wie gesagt. Rufen Sie mich heute Nachmittag an.«
Sie waren zu Hause bei Susanne und Johan, als der Makler anrief. Elina lag auf dem Fußboden, und Emilie saß auf ihrer Brust und drückte ihr einen Stoffhasen ins Gesicht. »Hase Kuss«, sagte Emilie, und Elina schmatzte mit den Lippen.
»Ich habe 100000 unter dem Ausgangspreis geboten«, sagte Susanne, als sie vom Telefon zurückkam. »Jetzt müssen wir abwarten.«
Um halb acht war Elina wieder zu Hause. Sie war gegangen, als Emilie, etwas später als sonst, ins Bett musste. Sie fühlte sich recht wohl, und das lag nicht nur an den zwei Gläsern Wein, die sie getrunken hatte. Sie schaute auf ihren Computer und überlegte, ob sie Martin antworten sollte. Die Widrigkeiten des nächsten Tages erschienen ihr ganz weit weg.
25. KAPITEL
John Rosén ließ sich sämtliche Informationen immer wieder durch den Kopf gehen. Er suchte nach anderen Erklärungen. Er zweifelte sein eigenes Urteilsvermögen an und kam dann zu dem Schluss, dass sie Recht hatte. Er überlegte, was zu tun sei, und entschied sich dafür, es drauf ankommen zu lassen.
Er ging zu Kärnlund ins Büro und erklärte sich. Er verließ sich darauf, dass Kärnlund ihn verstehen und auf seiner Seite sein würde. Dass er einem letzten Kampf, falls erforderlich, nicht ausweichen würde.
»Nach der Acht-Uhr-Besprechung«, sagte Kärnlund. »Bei mir. Ich lasse alle kommen, die die
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