Elina Wiik - 03 - Der tote Winkel
könnte es natürlich auch gewesen sein. Aber was hat Ahmed Qourir mit der Sache zu tun?«
»Das weiß ich genauso wenig wie du.«
»Was machen wir jetzt?«
»Wir müssen versuchen, noch mehr herauszufinden. Wohin die Schleuser verschwunden sind, nachdem sie nach Estland eingereist sind. Über die Rolle Qourirs und darüber, was sich eigentlich auf dem Boot abgespielt hat. Es müssten noch weitere Flüchtlinge an Bord gewesen sein. Zeugen, falls sie noch am Leben sind. Sollten sie ebenfalls verschwunden sein, müsste es Angehörige geben, mit denen wir sprechen können.«
»Die Ermittlung ist eingestellt«, sagte Elina und lehnte sich zurück.
»Jetzt nicht mehr. Das kann ich mir nicht vorstellen.«
Elina überlegte, ob sie ihre Zweifel, was die Rolle der Sicherheitspolizei anging, erwähnen sollte, entschied sich dann aber dagegen.
John Rosén schaute auf die Uhr.
»Es ist Viertel nach drei«, sagte er. »Und es ist Freitag. Lass uns bis Montag warten. Ich werde eine Besprechung mit Jönsson anmelden und zusehen, dass Kärnlund ebenfalls dabei ist. Schließlich ist er immer noch der Chef des Dezernats. Ist das okay?«
Sie nickte.
»Was machen wir mit dem ›Hering‹?«
»Dem ›Hering‹?«
»Er steckt vermutlich hinter diesen Kellereinbrüchen.«
Rosén lachte.
»Das hast du also bereits herausgefunden. Gut gemacht. Aber ich finde, dass ihn jemand anders festnehmen soll. Wollen wir Feierabend machen?«
24. KAPITEL
Elina zündete eine Kerze an. Es war der erste Advent, und sie hatte am Samstag nach zwei Stunden im Dojo und einer Einkaufsrunde im Zentrum einige Zeit damit verbracht, ihre Wohnung weihnachtlich zu schmücken. Weihnachtssterne im Fenster, Moos im Adventskerzenhalter und einen Weihnachtswichtel aus Ton auf dem Tisch, von ihr eigenhändig im Kindergarten angefertigt und von ihren Eltern aufgehoben, als handele es sich um eine wertvolle Antiquität.
Sie sehnte sich nach ihren Eltern. Am liebsten wäre sie zu ihnen nach Hause nach Märsta gefahren, aber heute ging das nicht. Um zwei Uhr wollte sie Susanne und Johan auf eine Hausbesichtigung begleiten. Endlich hatten sie sich dazu durchgerungen, ein Haus zu kaufen. Sie fragte sich, wer wohl mitten im Vorweihnachtsstress verkaufte. Vermutlich ein Scheidungspaar, wer sonst?
Ihre eigene Wohnung wirkte freundlich. Aber leer. Nur wenn sie in den Spiegel schaute, sah sie ein menschliches Wesen. Eigentlich hätte die Luft der Wohnung auch von einem Mann eingeatmet werden sollen. Über den Fußboden hätten Kinderfüße rennen sollen. Bis vor kurzem hatte sie einen Mann gehabt und einen Embryo, ein sich entwickelndes Leben im Bauch. Jetzt hatte sie nichts mehr. Das war ihre Entscheidung. Die Liebe war nicht groß genug gewesen.
Sie versuchte sich damit abzulenken, ihre E-Mails durchzugehen. Eine neue. Sie war um 1.36 Uhr in der vergangenen Nacht geschickt worden. Sie war von Martin. Elina schloss die Augen. Zum ersten Mal seit mehreren Monaten ließ er wieder von sich hören. Sie hatte schon geglaubt, er habe aufgegeben, genauso wie sie ihn schon viel früher aufgegeben hatte.
Der Brief war lang, und er hatte ihn geschrieben, als seine Frau und sein Kind geschlafen hatten. Keine Bitten wie früher, dass sie zu seinen Bedingungen zurückkehren solle. Nur eine Beschreibung seiner Gedanken und Gefühle. Er schrieb, er denke jeden Tag an sie und dass sie neben ihm hergehe, auch wenn er mit anderen zusammen sei.
Sie las die E-Mail dreimal. Sein Ton hatte sich verändert, er war zärtlich und voller Sehnsucht. Sie war verwirrt. Die Wut darüber, dass er es ihr nicht ermöglichte, sich ungestört von ihm zu lösen, wurde von der Freude darüber abgelöst, dass sie noch in seinen Gedanken war, und zwar so deutlich, als sei sie körperlich anwesend. Sie bedeutete dem Menschen etwas, der auch ihr sehr viel bedeutete. Sie las den Brief ein weiteres Mal. Sie lächelte, während ihr die Tränen über die Wangen liefen. Sogar der Trost war schmerzlich.
Emilie warf sich in Elinas Arme und ließ sie erst nach einer Umarmung wieder los. Dann rannte sie im Garten des Hauses in Stallhagen hin und her. Sie hüpfte, lachte und sang.
»Scheint so, als ob sie sich hier bereits wohlfühlt«, sagte Elina zu Susanne und Johan.
»Mir gefällt es auch«, sagte Susanne. »Hier will ich wohnen. Wenn es drinnen nicht zu wüst aussieht.«
Johan belächelte die Entschlossenheit seiner Frau. Es sah aus, als wolle er sagen: »Ja, ja, mal sehen.«
»Das Haus scheint auch
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