Elina Wiik - 03 - Der tote Winkel
Knien beugte er sich vor und faltete die Hände. Nicht, um zu beten, aber wäre er religiös gewesen, so hätte er um etwas Glück gebetet. Bislang war ihm vieles geglückt, aber dann war doch alles vollkommen schief gelaufen. Drei Tote, mein Gott, was hatte er getan?
Es hätte nicht passieren müssen, wenn man ihn nicht gezwungen hätte, mit Amateuren zu arbeiten. Diese Frau und ihr verdammter Mann. Er sah sie vor sich. Sie hatte geflirtet. Okay, an ihrer Figur war nichts auszusetzen gewesen, nur hatte sie leider nichts im Kopf gehabt! Und erst der Mann, er war noch schlimmer. Als alles schiefgegangen war, waren sie in Panik geraten. Er fragte sich, wo sie jetzt wohl waren.
Und die anderen – waren die so viel besser? Sie waren ihm nützlich gewesen, das musste er zugeben. Aber wenn alle sich so professionell wie er selbst verhalten hätten, dann wäre alles anders gekommen.
Er erhob sich und schaute aus dem Fenster. Er dachte über die Fehler nach, die er selbst begangen hatte. Wie sie ihn zu fassen kriegen könnten. Die DV-Kamera natürlich. Wie hatte er die nur übersehen können? Das Video war ein Schock gewesen, es hätte ihm fast die Luft abgeschnürt. Zum Glück waren nur seine Waden zu sehen, aber es war schlimm genug gewesen, dass ganz Schweden die Bilder im Fernsehen hatte anschauen können. Vielleicht würde ihn jemand erkennen, obwohl es ihm unwahrscheinlich vorkam. Im Übrigen war er vorsichtig gewesen, hatte versucht, an alles zu denken, die Spuren zu verwischen. Aber irgendwas übersah man immer. Irgendwas blieb liegen. Niemand lief herum, ohne Spuren zu hinterlassen.
Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie auf das kleine Zeichen stießen, das ihnen die richtige Richtung wies. Es konnte der Polizei gelingen, wenn sie nur wollte. Das wusste er.
Er musste planen. Verschiedene Auswege. War es erst einmal so weit, dann gab es kein Zurück. Er würde sich die Möglichkeiten, die es gab, zunutze machen. Auch wenn dazu ein viertes Opfer nötig sein sollte.
27. KAPITEL
Elina überlegte, ob sie nach Estland fahren sollte. Vor Ort zu sein war immer von Vorteil, egal worum es ging. Die Chancen, dass man ihr eine solche Reise genehmigen würde, schätzte sie jedoch gering ein, aber fragen kostete nichts.
Vorher waren jedoch noch einige Routinemaßnahmen zu erledigen. Falls diese ein Resultat zeitigten, dann war die Reise unnötig.
Sie ließ sich die Telefonnummer von der Zentrale des Reichskriminalamtes geben. Zwei Nullen und dann eine ganze Reihe Ziffern. Der Mann, der am anderen Ende an den Apparat ging, klang jung. Sie nannte ihren Namen und brachte ihr Anliegen vor.
»Ich hoffe, dass Sie mir helfen können«, sagte sie.
»Ich will einen Versuch unternehmen. Es müsste gehen. Sie müssen wissen, dass Kenneth, mein Vorgänger und Verbindungsmann hier in Tallinn, und ich dieselben Erfahrungen gemacht haben. Der estnischen Polizei ist es wichtig, uns behilflich zu sein. Sie sind an einem guten Verhältnis zu uns interessiert. Könnten Sie vielleicht präzisieren, welche Angaben Sie benötigen?«
»Die drei sind mit dem Zug am 28. Januar 2001 nach Estland eingereist. Ich will wissen, ob der Grenzpolizei Angaben über ihre Ausreise vorliegen. Falls das nicht der Fall ist, hätte ich gerne die Passagierlisten der Fähren und Flüge nach Finnland und Schweden.«
»Das ist schließlich schon drei Jahre her. Für die Passagierlisten bräuchten wir eine eigene Fähre, wenn wir alle beschaffen sollen.«
»Dann machen wir es folgendermaßen: Versuchen Sie die Listen für die Woche nach dem 28. Januar 2001 zu besorgen und dazu noch die Listen für die Woche vor dem Mord, also die Tage zwischen dem 21. und 28. September dieses Jahres.«
»Gut. Das ist etwas humaner. Ich lasse von mir hören, sobald ich etwas in Erfahrung gebracht habe.«
»Rufen Sie mich doch bitte heute im Laufe des Tages noch einmal an, ganz gleichgültig, wie weit Sie bis dahin sind. Ich hätte gerne gewusst, ob es überhaupt möglich ist.«
Er lachte.
»Sie wollen mich unter Druck setzen, nicht wahr? Damit ich sofort anfange?«
Sie wollte das schon abstreiten, aber er kam ihr zuvor.
»Keine Sorge«, sagte er. »Ich fange an, sobald wir aufgelegt haben. Und dann rufe ich Sie spätestens um drei Uhr auf Ihrem Handy an.«
»Danke«, sagte Elina und legte auf.
So einfach war das. Elina wünschte sich, dass sie immer jemand anderen bitten könnte, die Drecksarbeit zu machen. It’s a dirty job, so somebody else should do it, dachte
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