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Elixir

Elixir

Titel: Elixir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Duff
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Muskel war angespannt, als würde er zum Sprung ansetzen.
    Wieder hatte Dad einen Klebezettel ans Papier geheftet, diesmal neben die schlafende Frau, doch seine Schrift war kleiner und krakelig, ja fast zitterig. » Clea …?«, stand dort.
    Ich starrte auf die Überschrift. Ich hatte das Wort schon einmal gehört, ahnte jedoch, dass es in diesem Zusammenhang nichts mit Musik zu tun hatte. » Incubus?«, fragte ich Ben.
    Er nickte ernst. » Eine verlorene Seele– gewöhnlich männlich–, die zu einem bösen Geist geworden ist, der sich an die Fersen einer Frau heftet, um sie auf Abwege zu führen. Der Geist ist von seinem Wesen her… sexueller Natur.« Er wurde rot und deutete auf das Bild. » Wie es hier gezeigt ist. Der Incubus kommt zu einer Frau und… du weißt schon… nimmt sie im Schlaf.«
    Mir blieb der Mund offen stehen und ich war froh, dass Ben die Augen von mir abgewandt hatte, als die berauschende Bilderflut aus meinen Träumen mir im Schnelldurchlauf durch den Kopf schoss. Ich merkte nicht, dass ich die Luft angehalten hatte, bis sie in einem Schwall entwich, den ich als Lachen zu tarnen versuchte.
    » Das ist nicht lustig, Clea.«
    » Es ist irre. Selbst wenn es so etwas wie böse Geister gäbe, wäre es dann nicht offenkundig, wenn ich schon mein ganzes Leben von einem verfolgt worden wäre? Wären mir nicht irgendwelche schlimmen Dinge zugestoßen?«
    » Man weiß es nicht. Vielleicht hat er nur auf den richtigen Moment gewartet. Vielleicht ist die Zeit jetzt gekommen und deshalb siehst du ihn auch plötzlich überall.«
    » Dann ist er also ein sehr geduldiger böser Geist«, sagte ich zynisch.
    » Weißt du, was sich noch aus dem lateinischen Wort › incubus ‹ ableiten lässt?«, gab Ben zurück. » Incubate, also ausbrüten. Und das ist bestimmt kein Zufall. Ich denke, diese… Sache ist herangereift, dieses Wesen hat vor sich hingebrütet und jetzt ist es bereit, sich zu offenbaren und sein Werk zu vollenden. Und ich glaube, dein Dad würde das genau so sehen.«
    » Du hast keine Ahnung, was mein Dad wie sehen würde«, fuhr ich ihn an… wusste jedoch, dass das nicht stimmte. In der letzten halben Stunde hatte Ben bewiesen, dass er meinen Vater weit besser gekannt hatte, als ich es je vermutet hätte… vielleicht sogar besser als ich selbst.
    Ben hob die Hand, als wolle er wieder eine Haarsträhne zwirbeln, ließ sie dann aber fallen. » Es tut mir leid. Mir ist klar, dass das viel auf einmal ist. Es ist nur… das ist der wahre Grund, warum dein Vater mich eingestellt hat. Als du anfingst, auf Reisen zu gehen und oft weg warst, wollte er, dass jemand bei dir ist, der Bescheid weiß und die Augen nach seltsamen Vorkommnissen offen hält. Er hat sich Sorgen um dich gemacht. Und mir geht es genauso.«
    Er hatte wirklich Angst um mich, das konnte ich in seinen Augen lesen. Wie immer meine Meinung über Dads und Bens Theorien und den Mann auf den Fotos ausfiel– eins war sicher: Sie wollten mich beide nur beschützen und das musste ich respektieren.
    » Okay«, sagte ich. » Was also schlägst du vor?«
    » Ich finde, wir sollten die Reise nach Rio absagen.«
    » Spinnst du? Wieso? Was hat das eine mit dem anderen zu tun?«
    » Vielleicht nichts«, gab Ben zu, » aber Rio hat sich für deinen Vater nicht gerade als sicherer Ort erwiesen. Und wenn dieses Wesen den nächsten Schachzug plant, dann sollten wir es ihm nicht leichter machen, indem wir uns an einen gefährlichen Ort begeben.«
    » Wenn du wirklich glaubst, dass dieses › Ding ‹ kein Mensch ist, dann ist es doch egal, wo ich mich aufhalte, oder? Es kann mich auch in meinem eigenen Zimmer heimsuchen.«
    Schlechte Wortwahl. Ich merkte, wie ich rot wurde, und sprach schnell weiter.
    » Außerdem hielt Dad es auch für möglich, dass der Kerl mein Schutzengel ist. Hast du das vergessen?«
    » Sieht er wie ein Schutzengel aus?«
    Er sah nicht aus wie ein Schutzengel, aber alles, was ich über ihn wusste, sagte mir, dass er auf keinen Fall böse war.
    Zugegeben: Alles was ich über ihn wusste– egal, wie real es sich anfühlte– entsprang lediglich meiner Fantasie… oder? Genauso wie Schutzengel und Incuben Fantasieprodukte waren.
    Ich musste auf den Boden der Tatsachen zurückkommen. Tatsache war, dass etwas Seltsames vor sich ging. Doch ich würde viel eher in einem modernen Buch über die String-Theorie eine logische Erklärung dafür finden als in einem alten Wälzer über die Geisterwelt. Tatsache war außerdem, dass mein

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