Elixir
Vorzüge erkennen kann.«
» Ich habe da noch ein weiteres Argument, das Sie hoffentlich überzeugen wird«, meinte Dad. Er zog ein Foto von mir heraus und reichte es Sage. Es war nur ein Schnappschuss, nichts Besonderes und nichts, was sich durch irgendeine mysteriöse Präsenz auszeichnete. » Das ist meine Tochter Clea.«
Sage betrachtete das Bild ein wenig verwirrt und nickte, dann gab er es zurück. » Sie ist sehr hübsch.«
» Sie erkennen sie nicht«, murmelte Dad. » Interessant. Ich denke, wenn Sie ihr direkt gegenüberstehen würden, dann wäre es etwas anderes. Sie kennen sie von früher. Das erste Mal hieß sie Olivia.«
Der Name traf Sage wie ein Schlag in die Magengrube. Auf seinem Gesicht spiegelte sich Angst… und zugleich Freude. Seine Seelenverwandte war wieder zurückgekehrt. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie nach ihm rufen und er sie finden würde. Konnte es diesmal anders werden? Sage wusste es nicht. Einem Teil von ihm war es egal, er wollte einfach nur eine kleine Weile mit ihr glücklich sein, auch wenn das Ende schrecklich war…
Nein, das war ihr gegenüber nicht fair. Er würde sie finden, aber es würde nicht schlimm enden. Das würde er nicht zulassen. Diesmal würde er noch besser aufpassen als all die anderen Male…
Dad las Sages Gedanken in seinen Augen und schüttelte traurig den Kopf. » Nein, Sage. Es wird nicht gut gehen. Sie kommen unbeschadet heraus, wie immer, aber sie… sie wird sterben. Schrecklich und unter schlimmen Qualen.«
Unerträgliches Leid verzerrte Sages Gesichtszüge. » Das wissen Sie nicht, nicht sicher…«
» Wie oft wollen Sie es noch zulassen?«, fragte Dad. » Wie oft wollen Sie das Leben dieser Frau zerstören– und das derer, die sie lieben? Sie können vielleicht darauf warten, dass Sie sie in hundert Jahren zurückbekommen, aber wir verlieren sie für immer.«
Sage presste die Lippen aufeinander und biss die Zähne zusammen. » Dann werde ich mich von ihr fernhalten.«
» Das wird Ihnen nicht gelingen. Verstehen Sie das denn nicht? Es gibt nur eine Möglichkeit, wie Clea überleben kann: Wenn Sie den Teufelskreis durchbrechen. Ich kann Sie zur Dark Lady bringen. Sie kann Sie erlösen. Der Kreislauf wird ein Ende haben. Bitte… wenn Sie Clea wirklich lieben, dann tun Sie es für sie.«
Sage überlegte eine Weile. Er sehnte sich so sehr danach, sein Glück mit der Frau zu finden, die er mehr als alles andere liebte… aber sie– mich – wieder tot zu sehen… dieser Preis war zu hoch. Dann bezahlte er lieber mit seinem eigenen Leben.
» Ich mache es«, sagte er zu Dad. » Ich komme mit Ihnen.«
Magdas Hand glitt aus meiner und entließ mich so abrupt in die Realität, dass ich mich fühlte, als hätte ich die Taucherkrankheit. Ich wusste jetzt alles, mehr als ich eigentlich wissen wollte: Warum er bei unserer ersten Begegnung davongelaufen war, warum er getan hatte, als wäre ich ihm egal. Warum er sich nach unserer Nacht im Auto von mir zurückgezogen hatte.
» Du wolltest überhaupt nicht das Elixir finden«, sagte ich leise zu Sage. » Du bist hergekommen, um zu sterben.« Ich schüttelte den Kopf, als mir die ganze Tragweite dessen, was ich gesehen hatte, bewusst wurde. » Er hat dich gebeten, Selbstmord zu begehen.«
» Er hatte recht«, erwiderte Sage. » Anders kann ich dich nicht retten.«
» Das stimmt«, trällerte Magda. » Der Kreislauf wird immer weitergehen, bis das Elixir zu den universellen Mächten, die es erschaffen haben, zurückfließt. Und das geht nur mit einem Seelentransfer… Sage, sei so lieb und reiß die Leinwand da drüben auf.«
Sie sah zu einem Ölgemälde an der Wand. Sage machte ein Loch in die Ecke der Leinwand und riss sie aus dem Rahmen. Darunter kam eine goldene Dolchscheide zum Vorschein, aus der er eine glänzende Klinge zog.
» Vorsicht«, mahnte Magda. » Der Dolch ist sehr scharf. Er ist gemacht, nicht nur durch Fleisch und Knochen zu schneiden, sondern auch durch die Seele. «
» Das ist also alles, was ich tun muss«, murmelte Sage und betrachtete den Dolch. » Es kommt mir so einfach vor …«
» So einfach ist es nicht«, warnte Magda ihn. » Das Universum muss gewisse Überlegungen anstellen, bevor es dir Erlösung schenkt. Du musst ein Feuer anzünden und in seinem Schein demonstrieren, dass du deine Zeit hier und jetzt verstehst und auch all die irdischen Vergnügen, die du aus freien Stücken opferst, um die Dinge wieder ins rechte Lot zu bringen. Genau um Mitternacht– das
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