Elizabeth II.: Das Leben der Queen
Verständnis des Königtums auf der Insel unerlässlich. Für Elizabeths weiteres Leben erweist sich daher 1944 als besonders wichtiger Einschnitt: Mit achtzehn Jahren übernimmt sie ihre erste königliche Schirmherrschaft, und zwar über das Queen Elizabeth Hospital for Children in Hackney, im Osten Londons. Es ist der Beginn ihres sich kontinuierlich erweiternden Patronats über karitative Einrichtungen.
Abgesehen von solcher Schulung in Gemeinnützigkeit erlebte Elizabeth seitens ihres Vaters nichts als dessen beschützende, man kann schon sagen: erdrückend beschützende Hand. Dabei hatte George VI. noch als Herzog von York in den 20er Jahren seine bahnbrechenden «Youth Camps» ins Leben gerufen, eine sehr moderne Idee. Einmal im Jahr kamen für zwei Wochen je 200 Halbwüchsige aus Elitefamilien und 200 aus unteren Schichten zusammen, um sich in sozialer Interaktion zu üben, wie man das heute nennen würde. Elizabeth und Margaret besuchten 1939 mit ihren Eltern ein solches Camp, das damals nahe Balmoral stattfand. Die Fotos zeigen die beiden Mädchen, wie sie begeistert bei den Spielen mitklatschen – aber teilzunehmen blieb ihnen verwehrt. Fünf Jahre später jedoch gab es keinen Grund mehr, eine Achtzehnjährige vom Kontakt mit Gleichaltrigen fernzuhalten, zum Beispiel bei kriegsrelevanten Tätigkeiten. Wie sollte diese junge Frau zur Galionsfigur in einer Gesellschaft aufsteigen, mit der sie nie in Berührung gekommen war?
Doch erst am Vorabend ihres 19. Geburtstages, im März 1945, durfte die Prinzessin sich als «Second Subaltern Elizabeth Alexandra Mary Windsor» unter Nr. 230873 beim Auxiliary Territorial Service (ATS) anmelden, dem weiblichen Arm der Armee, und mit anderen Frauen ihres Alters noch kurz vor Ende des Krieges ihre Hand reichen zur Besiegung des Feindes – nur drei Wochen lang, bis zum 16. April. In Aldershot, Grafschaft Hampshire, westlich von London gelegen, teilte man sie mit elf weiteren Trainees einer Reparaturwerkstatt zu, wo sie lernte, Armeelastwagen zu fahren und deren Motoren instand zu halten. Damit nahm zum ersten Mal in der britischen Geschichte ein weibliches Mitglied des Königshauses an einem Lehrgang «mit anderen Leuten» teil. Elizabeth lernte alles über Kolben und Zylinderköpfe und wurde unter anderem dabei fotografiert, wie ihre Mutter ihr bei einem fachmännisch aussehenden Handgriff angelegentlich zuschaute. «Es war meine einzige Zeit», gab die spätere Queen in einem Gespräch mit der Labour-Politikerin Barbara Castle zu, «in der ich meine eigenen Fähigkeiten im Vergleich mit anderen in meiner Altersgruppe messen konnte». Aber bei den Vorlesungen saß sie in der Mitte der ersten Reihe, beiderseits flankiert von einem Sergeanten, und das Mittagessen nahm sie in der Offiziersmesse ein. Soviel zur sozialen Interaktion. Auch als Second Subaltern 230873 im ATS war sie noch immer «das menschliche Äquivalent kostbaren Sèvres-Porzellans, eingewickelt und sicher verwahrt».
Aber ihre ATS-Uniform trug sie mit Stolz und zeigte sich in ihr auch am 8. Mai, am VE-Day, auf dem Balkon des Buckingham Palastes – zusammen mit der Mutter, Winston Churchill in der Mitte, dann George VI. und die vierzehnjährige Margaret. Es folgte der einzige unkontrollierte Moment ihres Lebens, von dem wir wissen: Am Abend dieses historischen Taumels schlichen sie und Margaret sich aus dem Palast, verabredet mit einer Gruppe junger Gardeoffiziere, auch ein Freund der Familie, der adlige Henry George Molyneux, war mit von der Partie – er sollte später als Lord Porchester Elizabeths wichtigster Berater in Fragen der Pferdezucht werden. Eingetaucht in die jubelnde Menge draußen vor dem Palast und Weltkriegs-Hits singend, ging es erst zum Parlament,dann Whitehall hinunter zum Trafalgar Square und weiter nach Piccadilly bis zum Ritz Hotel, von wo der Weg durch den Green Park zurück zur königlichen Residenz führte. Dort traf Elizabeth auf einen Hofbeamten, dem sie auftrug, dem Königspaar mitzuteilen, dass sie unten vor dem Palast in der Menge sei und zum Balkon hoch schaue. Bald erhob sich erneutes begeistertes Rufen: «We want the King, we want the King», und George VI. und die Königin traten mehrfach heraus, um mit Winken zu antworten, während ihre Tochter unter all den Tausenden Gestalten zuschaute.
Prinzessin Elizabeth, Königin Elizabeth, Winston Churchill, George VI. und Prinzessin Margaret auf dem Balkon des Buckingham Palasts, 8. Mai 1945 (Foto: ILN)
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