Elizabeth - Tochter der Rosen
Band fallen ließ.
»Mylady Königin«, sagte der Mann, hob es auf und steckte ein kleines Bild, das herausgerutscht war, zurück zwischen die Seiten, »verzeiht mein Ungeschick!«
»Nein, verzeihen Sie mir meines«, hauchte ich. »Wie ist Ihr Name?«
»John Hewick, meine Königin.«
Es war so vieles zu sagen und so wenig Zeit! Jeden Moment würde Margaret Beaufort wieder da sein. »Woher haben Sie das Buch?«
»Es wurde mir von einem verwundeten Ritter gegeben, mit dem Auftrag, es Euch zu bringen. Das war im August, nach ...«
Ich sah ihn an, nahm seine Hand und zog ihn nach oben. Ja, ich verstehe nur zu gut, was du mir zu sagen versuchst, dachte ich . »Mein guter Mann, Sie haben mir heute einen größeren Dienst erwiesen, als Sie ermessen können. Hier ist eine Gabe für Sie, eine Börse und dieser Ring.« Ich zog den goldenen Ring in der Form einer Rose ab, den ich von meinem Vater hatte. »Ich wünschte, diese Dinge wären vom gleichen Wert wie Ihr Geschenk an mich, aber das ist unmöglich. Welchem Beruf gehen Sie nach?«
»Ich war Knappe in der königlichen Garde.«
»War?«
»Nicht mehr, meine Königin.«
Mit dieser Antwort gab ich mich nicht zufrieden.
»Warum habe ich Sie nicht in Westminster gesehen?«
»Ihr wurdet gut bewacht, Mylady Königin, und meine Bitte, Euch zu sprechen, wurde jeweils abgelehnt.«
»Ich weiß, dass es ...«
»Was ist das?« Margaret Beaufort hatte sich so leise angeschlichen, dass ich sie nicht bemerkt hatte. »John Hewick, wastun Sie hier, der Königin ihre kostbare Zeit zu rauben? Hinfort mit Ihnen, Mann!«
Während sie ihn schalt, versteckte ich das Buch in einem kleinen Korb neben mir unter einem grob mit weißen Rosen bestickten Taschentuch. In meinem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Am liebsten wollte ich mich mit meinem Buch zurückziehen und nachsehen, ob das Bild zwischen den Seiten jenes war, auf das ich hoffte – das Porträt, um das ich Richard gebeten hatte.
Später am selben Morgen, bevor Margaret Beaufort Gelegenheit hatte, den Inhalt des Korbes zu prüfen, nahm ich mein Buch heraus, versteckte es zwischen meinen Röcken und schlich mich zum Abort. Ein scharfer Wind pfiff durch die Schießscharten, blähte die Vorhänge und pustete beinahe die Kerze aus, die den finsteren Erker beleuchtete. Pochenden Herzens zog ich das Bild aus den Seiten und hielt es ins Licht. Mir stockte der Atem.
O Richard, Richard! Dein Gesicht wiederzusehen, sei es auch hier, an diesem Ort, in diesem Moment ...
Tränen brannten in meinen Augen, und ich ließ ihnen freien Lauf. Als ich schließlich so viel geschluchzt hatte, dass ich mich wie taub fühlte, trocknete ich meine Augen, strich mein Kleid glatt und verließ die Abgeschiedenheit des Aborts. Ich versteckte das Buch im Geheimfach einer kleinen Truhe, verschloss es mit dem Schlüssel, den ich an meiner Halskette trug, und legte mich auf mein Bett. Von der Kapelle wehte der Gesang der Mönche durchs offene Fenster hinein, und ich starrte zum bewölkten Himmel auf, während Erinnerungen auf mich einströmten. Meine Ruhe wurde schon bald durch ein Klopfen an der Tür beendet.
»Euer Gnaden«, sagte Lucy Neville, meine Hofdame, »Lady Margaret, die Mutter des Königs, wünscht, in einer halbenStunde nach Kegworth aufzubrechen. Darf ich Euch für die Reise bereit machen?«
»Schick mir bitte erst Patch den Zwerg!«, antwortete ich und stand auf. Ich brauchte einen Moment Erheiterung, um meine Nerven zu beruhigen.
Patch trat mit einer fliegenden, höflichen Verneigung ein, beugte sich zu mir und flüsterte mir ins Ohr: »Ich hörte, wie der Mann Lady Margaret nannte, als er Euch verließ.«
Ich sah ihn verständnislos an. »Welcher Mann?«
»Der Euch das Buch gab.«
Vor Schreck erstarrte ich. »Das hast du gesehen?«
Er nickte.
»Hat es sonst jemand beobachtet?«
»Glaube ich nicht, Mylady. Andere bemerken Dinge nicht wie ich.«
»Du, mein lieber Patch, siehst und hörst also Dinge, die andere nicht bemerken. Da gäbst du einen tauglichen Spion ab.« Ich bedachte ihn mit einem wissenden Blick, und er grinste schelmisch. Margaret Beaufort hatte Patch angeheuert, damit er mich ausspionierte – so wie jeden anderen in meinen Diensten ebenfalls. Dennoch hatte ich in den letzten Wochen eine Veränderung an ihm wahrgenommen und wagte zu hoffen, dass seine Loyalität nunmehr mir galt und nicht ihr. »Also, was war es?«
»Ein Freund fragte ihn, wie es ihm ergangen sei, und er antwortete, dass er Euch
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