Elizabeth - Tochter der Rosen
mich im Auge zu behalten. »Noch dazu grüßt die exquisiteste Stimme das Ohr des Besuchers.« Er blickte zu meiner Laute und wieder zu mir. »Möge es einem Mann nachgesehen werden, wenn er angesichts Eurer großen Schönheit die dringlichen Angelegenheiten vergisst, die ihn in Eure königliche und himmlische Gegenwart führen!«
»Doktor de Puebla«, entgegnete ich lachend, »habt Ihr auf diese Weise meinen Gemahl, König Henry, zum Freund gewonnen? Er ist nicht geneigt, leicht Freundschaft zu schließen, und dennoch empfängt er Euch allein in seinen Privatgemächern und hört bei den Ratssitzungen auf Euer Wort. Mir ist kein anderer Mann bekannt, dem er solches Vertrauen entgegenbringt.«
»Nun bin ich geschmeichelt, Hoheit.«
»Was kann ich für Euch tun, mein lieber Doktor de Puebla?«
»Ich bringe einen Brief von meinen Herrschern, König Ferdinand und Königin Isabella von Spanien. Er ist an Euch gerichtet.«
»An mich?« Mir schrieb nie jemand. Die Leute schrieben an Henry, an Margaret Beaufort, an Morton und sogar an Reginald Bray, den glühenden und skrupellosen Lancastrianer. Aber nie an mich. Ich war die unsichtbare Königin und konnte nichts für sie erreichen.
»Er richtet sich ausdrücklich an Euch, und zwar in einer Angelegenheit von größter Wichtigkeit für die Christenwelt. Ich komme, um Euch zu bitten, Euch die Botschaft meiner Herrscher in einer Staatsaudienz verlesen zu dürfen.«
Ich war erstaunt und geschmeichelt zugleich. Isabella und Ferdinand betrachteten mich als so wichtig, dass sie mir einen Brief schickten? Das Verlesen solcher Dokumente von einem Monarchen an einen anderen war ein Staatsereignis, und der ganze Hof würde die Ehre bezeugen, die mir das spanische Königspaar erwies. Ich sah Rodrigo de Puebla an, und auf einmal begriff ich. Er hatte seine Herrscher gebeten, mir zu schreiben! Der gute Mann versuchte, die unmögliche Behandlung, die ich durch Margaret Beaufort erfuhr, wettzumachen, indem er den Hof – und Henry – diskret daran erinnerte, dass ich die wahre Königin war. Er tat, was in seiner Macht stand, um mir zu einem höheren Ansehen bei Henry und dessen Adligen zu verhelfen.
Hatte ich ihn zuvor schon schätzen gelernt, ging mir nun beinahe das Herz über. Ihn und mich verband etwas, denn wir beide waren Außenseiter: ich wegen meines Plantagenet-Blutes und er wegen seiner jüdischen Abstammung, wenn nicht wegen seiner Missgestalt. Ja, ich hatte schon länger den Verdacht, dass de Puebla jüdisch war, möglicherweise sogar ein Converso .
Mir traten Tränen in die Augen. »Mein hochgeschätzterDoktor«, antwortete ich, »ich bitte Euch, König Henry mitzuteilen, dass ich die königliche Botschaft von Eurem edlen Herrn, König Ferdinand, mit großer Freude erwarte. Und dass ich hoffe, wir können sie morgen Abend vor dem Dinner im Audienzzimmer hören.« Es ging das Gerücht, dass der Gesandte stets um Geld verlegen war, weil seine königlichen Herren oft versäumten, ihm sein Salär zu zahlen. Daher war er bisweilen genötigt, in schlecht beleumundeten Wirtshäusern zu wohnen und zu speisen. »Bitte, bleibt heute Abend zum Essen, Doktor de Puebla!«
Er verbeugte sich zum Dank, und ich fragte mich, warum in dieser Welt gute Männer leiden mussten, während die bösen im Überfluss lebten. Sogleich schalt ich mich, denn Gott allein kannte die Antwort, und es kam uns nicht zu, nach ihr zu verlangen.
~
Ich empfing Doktor de Puebla im überfüllten Audienzzimmer, wo wir, umgeben von unseren Adligen und Erzbischöfen, auf unseren Thronen saßen. Henrys Mutter stand mürrisch zu meiner rechten Seite. Im Fackelschein glänzten die bunten Bodenfliesen, als der gute Doktor den Brief von seinem Monarchen entrollte. Nachdem er mich förmlich als »die vornehmste und mächtigste Prinzessin« begrüßt und mir mit zahlreichen Verneigungen seinen Respekt und seine Zuneigung erwiesen hatte, kam de Puebla zum Eigentlichen: der Botschaft von seinem König.
»Der hohe und mächtige Prinz, König Ferdinand von Spanien, unser Herr und Meister, hat große Fortschritte im Krieg gegen die Mauren gemacht und die Stadt Baca im Königreich Granada erobert. Da sein Sieg für alle christlichen Monarchenvon Interesse sein dürfte, betrachtet er es als seine Pflicht, Ihre Majestät, Königin Elizabeth von England, über selbigen zu unterrichten.«
Zunächst ging ein Raunen durch den Saal, dann folgte lauter Applaus. De Puebla verneigte sich wieder. Nachdem ich ihm auf die
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