Elizabeth - Tochter der Rosen
zu genießen, die du ihnen beschert hast. Mylord, es gibteine muntere Weise, die deine Sorgen für eine Weile vertreiben könnte. Darf ich sie dir vorsingen?«
Henry sank auf seinen Stuhl und nickte. Seine Augen nahmen einen merklich weicheren Ausdruck an, als er mich beobachtete. Das geschah in jüngster Zeit häufiger. Vielleicht hatte er sich nicht so sehr an seine Krone geklammert, weil er Macht wollte, sondern weil sie ihm ersetzte, wonach er sich sehnte: ein Heim, eine Frau, eine Familie. Ich würde ihn niemals lieben können, doch die Antipathie, die ich in den frühen Jahren unserer Ehe für ihn empfunden hatte, hatte sich verflüchtigt. Ich hatte begriffen, wie vieles er erlitten hatte, wie allein er sich in den vielen Jahren des Exils gefühlt haben musste, während er von einem Ort zum nächsten geflohen war, gejagt und gehetzt wie ein kostbares Tier. Er hatte als Gefangener von Monarchen gelebt und war deren Launen ausgeliefert gewesen, einschließlich denen meines Vaters, und den Großteil seines Lebens hatte er nichts als Ungewissheit gekannt. Deshalb zitterte nun unter seinen königlichen Roben ein unglücklicher, verzweifelter Mann.
Oft dachte ich, könnte ich nur meine Tante Margaret sehen und mit ihr reden, ließe sich all die Feindseligkeit zwischen England und Burgund beilegen. Ihr Hass auf Henry wurzelte tief, und sie würde jede Bemühung unterstützen, ihn zu entthronen, doch sie war auch kinderlos und hatte ihre Brüder sehr geliebt. Nun waren sie alle tot, und das Haus York war von einem Thronräuber entmachtet worden. Ja, Henry war ein Thronräuber, egal, wie viele Poeten seine Herkunft preisen mochten. Der Italiener, der an der Hof geholt worden war, um die Geschichte neu zu schreiben, würde ihm die illustreste Abstammung aller europäischer Könige andichten, und Mortons Schrift würde Richard als einen Schurken darstellen. Doch es änderte nichts an der Wahrheit. Tante Margaret hasste mich dafür, dass ichso fruchtbar war und den »schändlichen Tyrannen und Thronräuber« ein Kind nach dem anderen zeugen ließ. Sie warf mir vor, dass ich nach Bosworth nicht aus Henrys Klauen geflohen war.
Ach, Tante Margaret, verstehst du es denn nicht?, dachte ich. Ich wollte aus Sheriff Hutton fliehen! Jedoch war Henry zu heiraten die einzige Möglichkeit, das Blutvergießen zu beenden und meinem Volk nach dreißig Jahren Leid endlich Frieden zu bringen. Ich tat es für sie, für Richard. Er befahl mir, Gottes Willen zu befolgen, und in Bosworth hatte Gott gesprochen. Ja, ich war die Königstochter, und ich hielt England für Henry, weil wir gemeinsam das Land einten und der Himmel es so wollte. Richard hatte Tudor seinen Segen gegeben, indem er unvorbereitet in die Schlacht geritten war. Er hatte sein Schicksal angenommen, und nun musste ich meines annehmen.
Warum kannst du es nicht verstehen, Tante Margaret, und uns in Frieden lassen?, fragte ich sie in Gedanken. Als ich mein Klagelied beendete, sah ich, dass Henrys Augen glänzten. Ich streckte meine Hand nach ihm aus, und er stand auf und kam zu mir.
»Wir werden es durchstehen, Henry«, sagte ich.
Er bückte sich und küsste zärtlich meine Hand.
~
Weihnachten kam und brachte Arthur, nur folgte bald darauf der Dreikönigstag, der ihn mir wieder nahm. Das Jahr 1494 nahm seinen Lauf. Neuigkeiten vom Prätendenten befeuerten Henrys Tage. Im Oktober 1494 präsentierte er, der sich nun »Duke of York« nannte, eine Parade mit Hellebarden in Blau und Weinrot. Natürlich waren sie von meiner Tante bezahlt, ebenso wie die Silbergroschen, die sie verteilten, als wäre er einKönig. Und dazu gab er noch eigene Forderungen bekannt, um auf die Henrys zu antworten. Er fürchte sich nicht vor einem päpstlichen Bann, behauptete er, weil das reine Anrecht seines Titels besage, dass er vor Gottes Strafe sicher sei. Henry Tudor aber, der von niederer Herkunft sei und zu Unrecht den englischen Thron besetze, habe Gott erzürnt.
»Ich ernenne Harry zum Duke of York. Sein Wappen wird sowohl die rote als auch die weiße Rose zeigen, und seine Farben sollen Blau und Braun sein«, erklärte Henry daraufhin, als wir mit seiner Mutter im Sonnenzimmer saßen. »Die Feierlichkeiten zu seiner Investitur sollen den ganzen Monat dauern, bis Ende November. Die Gestaltung überlasse ich dir, meine liebe Mutter.«
»Einen Monat lang? Dann bleibt uns genügend Zeit, ein Turnier auszurichten. Turniere sind farbenprächtig und in Zeiten wie der unseren ihrer martialischen
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