Elizabeth - Tochter der Rosen
wurde von dem Prätendenten bedroht, wie Richard von ihm bedroht worden war.
Und wer bedrohte mich?
Mich schauderte vor diesem Gedanken, wiewohl ich nicht wagte, ihn gleich wieder zu verwerfen. Ein Tudorerbe wäre unter einem Yorkisten-König in Gefahr. Die einzige Lösung für denjenigen, der die Krone besaß, war die, seine Rivalen zu verhaften und hinzurichten.
In diesem Moment hörte ich ein Schluchzen. Margaret Beaufort stellte sich mal wieder zur Schau. Ärger flammte in mirauf. Kann sie ihre Sorge nicht für sich behalten, wie ich es auch tue? Sie vergiftete jeden freudigen Anlass mit ihrem Geflenne.
Meine Gedanken kehrten zum Prätendenten zurück. Vom Hof in Burgund aus, wo er weiter unter dem Schutz meiner Tante stand, hatte er eine Proklamation herausgegeben. Sobald er im Besitz der ihm rechtmäßig zustehenden Krone wäre, versprach er, »die Gesetze unserer edlen Vorgänger, der Plantagenet-Könige Englands, wieder einzuführen« und das byzantinische Recht des Thronräubers und Tyrannen Henry Tudors zu bannen. Nun bereitete er sich auf eine Invasion vor. War dieser junge Mann, der den Titel des Duke of York abgelegt hatte und sich stattdessen Richard IV . nannte, wahrhaftig mein Bruder Dickon?
Falls er es war und England gewann, was wurde aus Arthur?
Ich umklammerte die Armlehnen meines Stuhls und schloss die Augen.
~
Obgleich wir uns besonders fröhlich gaben, war Weihnachten 1494 im Tower von einer dunklen Wolke getrübt. Mir graute davor, den Burggraben zu überqueren und durch das Tor zu gehen, weil ich wusste, warum Henry diesen Ort gewählt hatte. Allen anderen indes schien es nicht unheimlich zu sein. Die Kinder liebten die Tower-Menagerie von wilden Tieren, und die alte Festung war von jeher eine Lieblingsresidenz der Könige. Jetzt allerdings ging es dem König um die Kerkerzellen und die Folterinstrumente.
Mehrere Adlige und Amtsmänner, die sich gegen Henry verschworen hatten, wurden zu den Weihnachtsfeierlichkeiten und der Hochzeit meiner Schwester Anne zwei Tage nach Lichtmess am vierten Februar geladen. Bei aller Schwermut, diemich plagte, freute mich das Wiedersehen mit meiner Schwester Bridget sehr. Sie war vierzehn und hatte entschieden, ihr Gelübde abzulegen. Ich war zwiegespalten, denn ein Leben im Kloster hieß, dass sie nie große Freude kennenlernen würde; ebenso wenig jedoch würde sie Verlust und Kummer erleben.
Die Ankunft von Thomas Howard, Earl of Surrey, munterte mich gleichfalls auf, und ich hakte mich bei der Begrüßung gleich bei ihm ein. Egal, wie er heute über Richard dachte, wir hatten ihn beide innig geliebt und erinnerten uns gern an die alten Tage der Ritterlichkeit. Dass wir jeder auf unsere Weise loyal gegenüber Henry waren, schwächte das unsichtbare Band zwischen uns nicht.
Margaret Beaufort kam mit ihrem Ehemann, Thomas Stanley, und wich dessen Bruder William während der Weihnachtstage nicht von der Seite – ähnlich wie sie es in den ersten Jahren mit mir gehalten hatte. Während der Feierlichkeiten und Bankette wanderte mein Blick immer wieder zu den Stanley-Brüdern. Ahnen sie, was geschehen wird?, fragte ich mich.
Sobald der Dreikönigstag vorbei war, befahl Henry die Festnahme von William Stanley und anderen Adligen, mit denen er Weihnachten gefeiert hatte. Einer von jenen, die mit den Festnahmen betraut waren, war Annes künftiger Schwiegervater, der Earl of Surrey. Ich betrachtete Surrey, als er die schockierten Lords über den gepflasterten Hof in das Furcht einflößende Gefängnis im Beauchamp Tower führte. Doch falls er irgendwelche Yorkisten-Sympathien hegte oder unglücklich mit seiner Aufgabe war, ließ er es sich klugerweise nicht anmerken.
An Lichtmess, dem zweiten Februar, bedeckten Eisblumen die Fenster des Towers, und wir feierten die Reinigung der Jungfrau Maria. Jedem der Anwesenden fiel auf, dass ein vertrautes Gesicht fehlte. William Stanley war zum Tode verurteilt worden und wartete in einer Kammer im Beauchamp Tower,unweit von Edward, Earl of Warwick, auf seine Hinrichtung. Henry gab vor, die Feier zu genießen, und er zahlte einem jungen Mädchen, das ihm nach Sarazener Art vorgetanzt hatte – mit nacktem Bauch und durchsichtigen Schleiern –, sogar dreißig Pfund. Henry hatte stets eine Schwäche für schöne Frauen gehabt, und ich wusste, dass es mich nicht stören sollte, doch das tat es. Mir gab es das Gefühl, als wäre ich gar nicht anwesend, und es kränkte mich, dass er mich durch derlei Betragen
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