Elizabeth - Tochter der Rosen
daran erinnerte, wie unbedeutend ich war.
Nach dem Fest zogen Henry und ich uns in mein Privatgemach zurück. Wir wollten kurz ruhen, bevor wir uns zu unseren Gästen im Sonnenzimmer gesellten, wo Würfel- und Kartenspiele stattfinden würden. Meine Hofdamen sprangen auf, als wir uns näherten, und knicksten vor uns. Meine Schwester Kate und Lucy Neville warteten bereits auf uns und wollten uns ins Zimmer folgen, doch ich schüttelte den Kopf. Wir wollten ungestört sein, denn Henry war aufgewühlt und brauchte eine Weile, um seine Fassung wiederzufinden. Beim Bankett war eine weise Frau nach vorn gebracht worden, die uns die Zukunft voraussagen wollte, und sie hatte Henry gewarnt, dass sein Leben während des gesamten Jahres 1495 in großer Gefahr bleiben würde.
Mich erstaunte, wie sehr mich diese Prophezeiung beunruhigte. Diesen Mann zu heiraten war nicht meine Entscheidung gewesen, und in den Jahren unserer Ehe hatte ich oftmals mein Schicksal bedauert. Im Schatten der Bedrohung durch den Prätendenten jedoch erkannte ich, dass er mir ans Herz gewachsen war. Er war ein skrupelloser König und ein habgieriger Mann; trotzdem hatte sein Leiden mein Mitgefühl geweckt. Er war seiner Mutter ein pflichtgetreuer Sohn, seinen Kindern ein liebevoller Vater, und in den letzten Jahren hatte er auch mir gegenüber Freundlichkeit gezeigt. Zudem wollten wir beide dasselbe für England: Frieden. Und Perkin Warbeck würde Krieg bringen.
Der Abend war kühl, und die Gobelins flatterten im Wind, der durch die Mauerritzen neben den Fenstern blies. Aber im Kamin brannte ein knisterndes Feuer. Henry ging hin, um sich die Hände zu wärmen, und ich legte meinen Umhang ab und hängte ihn an einen Haken. Noch ehe wir ein Wort über die Weissagung wechseln konnten, wurde an die Tür geklopft. Ich blickte ängstlich zu Henry, bevor ich den Besucher hereinbat.
»Eine Nachricht für Euch, Sire«, sagte ein Bote, der vor Henry auf ein Knie sank. »Aus Irland.«
Mein Gemahl entriss ihm den Brief geradezu, wartete jedoch, bis die Tür geschlossen war, und brach erst dann das Siegel. Während er las, wich sämtliche Farbe aus seinem Gesicht.
»Der Prätendent?«, fragte ich, als er schließlich aufsah.
Er nickte. »Finanziert von deiner Tante ...« Wieder schlug er diesen vorwurfsvollen Ton an, den er jedes Mal hatte, wenn er von meiner Tante Margaret sprach. »Er hat versucht, in England zu landen, hatte jedoch zu wenige Männer bei sich und musste sich fast sofort zurückziehen.«
»Warum missfällt dir das?«
Er warf sich auf einen Stuhl. »Weil es nicht alles ist. Er ging nach Irland, wo ihm der Earl of Desmond seine Unterstützung zusicherte. Er belagerte Waterford, stieß jedoch erneut auf Widerstand und floh.« Nach einer Pause ergänzte er verbittert: »Nun ist er abermals verschwunden. Zweifellos ist er auf dem Weg nach Schottland. James IV . nutzt jede Gelegenheit, mir Schwierigkeiten zu machen.«
»Was sagen deine Spione?«
»Sie wissen nichts. Letzte Woche zahlte ich in meiner Verzweiflung die irrwitzige Summe von fünf Pfund für einen Brief über ein Gerücht ...« Er hob eine Hand an seine Stirn.
Ich erinnerte mich, wie Henry das Gerücht verbreitet hatte, Richard hätte meine Brüder ermordet, und nun konnte er vor lauter Angst, mein Bruder Dickon würde noch leben, nicht schlafen. Einer meiner Brüder war Margaret Beauforts Klauen entkommen. Wäre es ihr und Morton gelungen, beide umzubringen, würden Henry die Gerüchte über einen Thronrivalen nicht so ängstigen und zweifeln machen.
Mich überlief ein eisiger Schauer. Der Prätendent könnte Dickon sein.
»Dich friert, meine Liebe«, sagte Henry. Er stand auf, nahm meinen pelzgefütterten Umhang vom Haken und legte ihn mir über die Schultern. »Es ist eine kalte Nacht.«
Ich nahm seinen Arm, und wir gingen zum Sonnenzimmer.
~
Aus einer kleinen Nische in der königlichen Bibliothek wehten mir die Stimmen meiner Kinder entgegen. Vorsichtig näherte ich mich, um zu lauschen. Arthur blieb in diesem Jahr länger, damit er der Vermählung seiner Tante beiwohnen konnte, was mir ein großer Trost war. Er saß mit einem aufgeschlagenen Buch vor sich am Tisch. Maggie hockte in der Fensternische; Harry saß auf dem Boden und spielte die Laute, die ihm sein Vater zu Weihnachten geschenkt hatte. Aus dem Augenwinkel sah ich Lizbeth, die mit ihrem Welpen herumtollte.
»Verrat ist, wenn man versucht, den König zu töten«, sagte Arthur.
»Wieso hat Onkel William
Weitere Kostenlose Bücher