Elizabeth - Tochter der Rosen
versucht, Vater zu töten?«, fragte Harry.
»Er wünscht sich, dass ein anderer regiert«, antwortete Arthur mit einem unsicheren Blick zur Seite. Ein Knappe fegte gerade den Kamin aus.
»Was geschieht mit ihm?«, wollte Harry wissen.
»Er wird hingerichtet«, sagte Maggie von der Fensterbank aus. »Stimmt es nicht, Arthur?«
»Das wissen wir noch nicht. Es kommt darauf an, was Vater entscheidet.«
Harry runzelte die Stirn. »Warum sollte Vater ihn nicht umbringen wollen, wenn er Vater töten wollte?«
»So einfach ist es nicht«, erklärte Arthur. »Ein König muss auch gnädig sein können, besonders bei der Familie.«
Ein entzücktes Kreischen entfuhr Lizbeth, als sie ihrem Welpen durch das Zimmer nachlief. »Mama!«, rief sie, sowie sie mich entdeckte, kam zu mir gelaufen und schlang die Arme um meine Beine. »Ich liebe, liebe dich, liebe dich! Und ich liebe Vater!«
Ihre großen blauen Augen, blau wie die Blüten des kleinen Immergrüns, blickten zu mir auf. Ich kniete mich hin und drückte meine süße zweijährige Tochter an mein Herz.
Bald schon erfuhren wir, wie Henry entschieden hatte: Hinrichtung .
~
Lord Thomas Stanleys Flehen stieß auf taube Ohren. Henry war nicht Richard, und er wusste nur allzu gut, mit welcher Politik Stanley in den Rosenkriegen überlebt hatte: Spalte und besiege! Man stelle den einen Bruder auf die eine Seite, den anderen auf die andere, und der Gewinner sorgt dafür, dass der Verlierer nicht zu Schaden kommt. Auf diese Weise hatten die Stanleys nicht bloß annähernd vierzig Jahre Blutvergießen überlebt, sondern waren auch noch zu Ruhm und Reichtum gelangt, während andere, bessere Männer zugrunde gegangen waren.
Trotzdem hatte ich Mitleid mit Sir William Stanley. SeinenBruder Thomas mochte man zu Recht als Wendehals und Verräter bezeichnen, aber nicht ihn. Er war seinen Yorkisten-Wurzeln in guten wie in schlechten Zeiten seit Beginn der Streitigkeiten mit Lancaster treu geblieben und hatte Richard seine Unterstützung erst entzogen, als meine Brüder verschwunden waren. Damals hatte er die Gerüchte geglaubt, Richard hätte sie ermordet, weshalb er die Seiten gewechselt hatte – nicht zu Lancaster, sondern zu Henry. Zu mir. Nachdem meine Brüder angeblich umgebracht worden waren, sah er mich als die wahre Thronerbin des Hauses York.
Einen Abend nach Annes Vermählung, als Henry in meinem Schlafgemach am Feuer saß, den Kopf in beide Hände gestützt, berührte ich sanft seinen Ärmel. »Kann ich etwas für dich tun, Henry?«
Er blickte sorgenvoll zu mir auf. »Ich habe ihn geehrt, und er verrät mich. Jetzt verstehe ich, wie Richard sich fühlte.«
Ich erschrak. Es war das erste Mal, dass er Richard beim Namen nannte, statt ein Schimpfwort zu benutzen. »Begnadige William!«, bat ich ihn. »Es ist eine Sünde, ein Leben zu nehmen, und wie wird es deiner Mutter ergehen, wenn du ihn hinrichtest?«
»Ich bin geneigt, deinem Rat zu folgen, meine Teure, nur irrst du dich in einem Punkt.« Er lächelte traurig. »Meine Mutter drängt mich, William zu exekutieren.«
Entsetzt starrte ich ihn an. William war ein Mitglied ihrer Familie, mit dem sie viele Mahlzeiten zusammen eingenommen, viele Becher Wein getrunken hatte! Aber warum sollte mich diese Boshaftigkeit bei Margaret Beaufort überraschen? Kannte ich sie nicht längst gut genug?
»Sie sagt, Gnade ist eine Schwäche, die sich ein König nicht erlauben darf, und deshalb müsste ich Stanley hinrichten. Falls ich es nicht tue, bringe ich mich in Gefahr, genau wie RichardsBegnadigungen jene Verräter ermutigten, die halfen, ihn vom Thron zu stürzen.« Leise ergänzte er: »Schließlich wäre ich nicht hier, hätte er meine Mutter nach ihrem ersten Verrat gerichtet, nicht wahr?«
Ich senkte den Blick. »Henry, du stehst wegen Bosworth in Williams Schuld. Begnadige ihn! Ein Leben gegen ein Leben.«
Henry holte tief Luft und atmete langsam wieder aus. Dann stand er auf, trat ans Feuer und lehnte sich mit einer Hand an den Kaminsims, sodass er in die Flammen sah. »Indem ich William hinrichte, schlage ich der Bestie den Kopf ab. Der Prätendent hat niemanden mehr, der für ihn spricht, und damit ist sein Vorhaben dem Untergang geweiht.«
»Umso mehr Grund, William sein Leben zu lassen. Im Gefängnis kann er dir nicht schaden.«
»Ach, was für ein dürftiges Gedächtnis du hast, meine Teure! Der Earl of Oxford war zehn Jahre in der Burg Hammes eingekerkert, bevor er entkam, um für mich die Schlacht von
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