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Elizabeth - Tochter der Rosen

Elizabeth - Tochter der Rosen

Titel: Elizabeth - Tochter der Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Worth
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ein Mädchen wird, nenne ich die Kleine Katherine«, sagte ich zu Kate.
    Sie versuchte zu lächeln und reichte mir ein Papier, an dem ein weißes Seidenband hing. »Elizabeth, ich fand dies an den Rosenbusch neben der Bank gebunden, auf der du oft sitzt.«
    Ich faltete das Blatt auseinander und las:
    In einem prächtigen Garten fein,
    sah ich die liebliche Königin mein,
    inmitten der Blumen, einst hold und schön.
    Sie pflückte einen Stiel und hielt ihn in Händen,
    und ich glaubte, eine weiße Rose zu sehen,
    ja, ich glaubte, eine weiße Rose zu sehen.
    Und ich hörte sie singen, gar wunderbar:
    ›Der Tag bricht an,
    ein neuer Tag bricht an,
    doch ich frage mich, wann ich ruhen kann.‹
    Mir war, als hätte mir der Reimende in die Seele geschaut. Wortlos streckte ich eine Hand nach Kate aus, die sich zu mir beugte und mich sanft auf die Stirn küsste.
    ~
    Nach Arthurs Tod stellte Henry unseren Sohn Harry unter strengste Bewachung. Seine Bewegungsfreiheit wurde drastisch eingeschränkt, und Harry wurde genauestens überwacht, so wie es mir in den ersten Jahren meiner Ehe ergangen war. Er musste viele Stunden in seinem Studierzimmer bleiben, durfte lediglich zum Gebet unterbrechen oder um den Abort aufzusuchen, und Henry erhielt ausführlichen Bericht über jeden von Harrys Schritten. Tat der Junge etwas, das seinem Vater missfiel, redete der ihm streng ins Gewissen. Einmal entkam Harry seinenWachen, indem er über die Gartenmauer kletterte. Einen ganzen Nachmittag lang konnte ihn niemand finden. Später wurde er hoch oben in einem Baum entdeckt, wo er sich versteckte. Henry kam selbst herbei, als man den Jungen aus dem Baum holte. Seine Dynastie hing nun an einem seidenen Faden, wie es einst bei Richard gewesen war.
    »Du hast eine schwere Missetat begangen, die streng bestraft werden muss«, sagte Henry.
    »Ich habe keine Angst vor dir!«, konterte Harry.
    Ein Muskel in Henrys Wange zuckte. »Bray   ...«
    »Ja, Sire?«
    »Bringen Sie Harry in den Tower!« Henrys Blick wich nicht von Harrys Gesicht. »Sorgen Sie dafür, dass man ihm die Zahnzangen, das Streckrad, mit dem Knochen gebrochen werden, und die Katzenkrallen zeigt, mit denen man die Haut in Fetzen reißt, ebenso wie die Schrauben und Pressen. Und die Eiserne Jungfrau, die einen Mann bei lebendigem Leibe ausweidet.«
    Harry lauschte mit einem verzückten Ausdruck.
    Nach einer Pause fuhr Henry fort: »Anschließend wird er in einen Kerker gesperrt, ohne Essen oder Wasser. Er darf erst wieder heraus, wenn er Gehorsam schwört.«
    Nun bekam Harry sichtlich Angst. »Vater!«, schrie er, als man ihn wegführte.
    Harry kam am nächsten Vormittag merklich eingeschüchtert zurück. Ich blickte zur Gartenbank, wo er mit einem aufgeschlagenen Buch auf dem Schoß saß. Früher hatte er in diesem Garten Pfeile geschossen und war wild umhergetollt.
    »Gibt es keinen anderen Weg, Henry?«, fragte ich meinen Gemahl, der zu mir ans Fenster trat.
    »Wir haben schon einen Sohn verloren. Harry dürfen wir nicht verlieren.«
    »Arthur wurde ausgebildet, König zu sein. Harry hat es nicht gelernt, und das verheißt nichts Gutes für das Königreich.«
    »Sei’s drum! Er muss sorgfältig bewacht werden, denn er ist wild und könnte sich sonst selbst in Gefahr bringen.« Henry schwieg einen Moment. »Und wenn er nicht bei uns ist, könnten unsere Feinde sich an ihn heranschleichen, wie meine   ...« Er verstummte mitten im Satz und wurde rot.
    Wie meine Mutter sich an Richards Sohn.
    Jetzt war ich mir sicher, ich hegte nicht mehr den geringsten Zweifel. Ich schloss die Augen und sah Richard im Traum auf mich zureiten. Dies ist die himmlische Strafe für uns, dachte ich. Auge um Auge, Zahn um Zahn.
    Ein Sohn gegen einen Sohn.
    ~
    Die goldenen Herbsttage, die einst voller Freude und viel zu kurz gewesen waren, erstreckten sich wie ein endloses graues Meer vor mir, trostlos und leer. Eines Nachmittags verließ ich meine Damen, um allein zu sein, und ging hinunter in den Garten. Der Himmel war trübe, und es nieselte, aber das kümmerte mich nicht. Ich setzte mich auf die Bank und zog meinen pelzgefütterten Umhang fest um mich. Die Nacht zuvor hatte ich stundenlang in Richards und Annes Buch Geistlicher Gnaden und dem Boethius gelesen. Und ich hatte Richards Porträt aus der Truhe genommen, damit ich sein Gesicht betrachten konnte. Jetzt wollte ich mit meinen Gedanken und mit der Natur allein sein, denn unter freiem Himmel sah man Gottes Hand am klarsten.
    Vögel beobachteten

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