Elizabeth - Tochter der Rosen
Lächeln.
»Ich weiß es nicht, Eure Hoheit«, antwortete er.
Für jemanden, der solch frohe Kunde bringt, scheint er mir recht düster gestimmt, dachte ich und schwieg. Auf dem Weg zu Henry sah ich viele bedrückte Mienen, und ich ahnte, dass etwas geschehen war. Mein Herz pochte schneller. Gleich nachdem ich Henrys Gemach betreten hatte, wurde die Tür hinter mir geschlossen, und kaum sah ich meinen Gemahl, stieß ich einen stummen Schrei aus. Er war noch in seinem Morgenmantel, und sein Gesicht, das während all der Schwierigkeiten in seinem Leben stets eine eiserne, unlesbare Maske gewesen blieb, war schmerzverzerrt. Bis zu diesem Augenblick hatte ich nicht geglaubt, dass er zu solch einem Ausdruck von Gefühl überhaupt fähig war.
»Was ist? Was ist geschehen?«, fragte ich ängstlich.
Er wollte sprechen, brachte jedoch kein Wort über die fahlen Lippen.
»Arthur ...« Er brach ab. »Arthur ist tot.«
»Tot?« Ich starrte ihn an. »Ich verstehe nicht.«
»Unser Sohn ist tot!«, heulte Henry.
»Das ist nicht wahr! Arthur ist wohlauf! Ich habe erst letzte Woche einen Brief von ihm erhalten.«
Kopfschüttelnd sank Henry auf einen Stuhl. Seine Schultern bebten, und er bedeckte sein Gesicht mit einem Taschentuch, während er bitterlichst weinte. Ich lauschte seinem Schluchzen, schaute ihm zu, wie er seine Tränen trocknete, und immer nochglaubte ich es nicht. Mir war, als stünde ich außerhalb meiner selbst und sähe einem makabren Schauspiel zu.
»Das kann nicht sein! Es muss ein Irrtum sein!«, sagte ich.
Henry nahm sein Taschentuch herunter und blickte mich mit tränennassen, geröteten Augen an. »Kein Irrtum«, raunte er. »Sein Kammerherr kam aus Wales ... Er traf nachts ein ... erzählte es meinem Beichtvater. Der brachte mir die Nachricht so früh, dass ich noch nicht aufgestanden war.« Er brach abermals in lautes Schluchzen aus.
Meine Beine waren auf einmal taub, sodass ich mich auf dem Tisch abstützen und auf einen Stuhl setzen musste.
»Er starb plötzlich am zweiten April«, sagte Henry. Er warf den Kopf in den Nacken, worauf ein schreckliches Stöhnen ertönte. Es war der entsetzlichste Laut, den ich jemals vernommen hatte, und er löste eine Flut von Mitgefühl für diesen Mann aus. Dabei hatte ich mein Leben lang mit mir gerungen, ihn nicht zu hassen. Henry stand auf, stellte sich ans Fenster und breitete die Arme gen Himmel. »Warum? Warum?«
Zu meinem Entsetzen knickten seine Beine unter ihm ein, und er schlug mit einem dumpfen Knall auf dem Boden auf. Ich lief zu ihm, kniete mich hin und nahm ihn in die Arme. Dann wiegte ich ihn, wie ich Arthur gewiegt hatte, wenn er sich als Kind wehgetan hatte.
»Schhh, Henry, schhh ... Wenn wir Gutes aus Gottes Hand erhalten, müssen wir auch das Schlechte erdulden«, flüsterte ich. »Du hast noch Harry. Deine Mutter hatte nur einen Sohn, dich, und Gott in Seiner Gnade hat dich stets beschützt und dir den hübschen Prinz Harry gelassen ...«
Zwar sprach ich die Worte, glaubte sie jedoch selbst nicht. Ich wusste, dass sie Henry trösten würden, doch ich war nach wie vor sicher, es wäre bloß ein böser Traum. Jeden Moment würde jemand kommen und uns aufwecken. Oder es war vielleicht ein grausamer Scherz. Richards Königin hatte wie eine Wahnsinnige geschrien, als sie von Neds Tod erfahren hatte, und meine Mutter war ohnmächtig geworden. Ich jedoch fühlte nichts. Deshalb konnte es nicht wahr sein!
In meinen Armen beruhigte Henry sich. Sein Schluchzen versiegte, und er drückte meine Hand. Die Dankbarkeit in seinem Gesicht brach mir das Herz. »Wir sind noch jung, Henry«, sagte ich. »Wir können weitere Kinder bekommen.«
Ich half ihm auf und umarmte ihn, doch es kam mir vor, als hielte ich eine große, öde Leere in meinen Armen. Henry stützte sich auf mich, als ich ihn zu seinem Bett führte und hinlegte. Eine Weile sah ich ihn an. Als ich sein gleichmäßiges Atmen hörte, richtete ich mich auf und machte mich auf den Weg in meine Gemächer. Seit den Hinrichtungen teilten wir das Bett nicht mehr miteinander, und ich begriff selbst nicht, dass ich ihn wieder in meines eingeladen hatte. Schuld musste seine Trauer sein, die mich berührte.
Alle Diener und Höflinge, denen ich begegnete, verneigten sich und zogen sich zurück.
Es ist kein Scherz! Die Erkenntnis traf mich mitten ins Herz. Arthur ist fort! Ich sehe es in ihren Augen.
Ich bog in den Korridor, den ich vor Kurzem noch Arm in Arm mit Arthur hinuntergegangen
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