Elizabeth - Tochter der Rosen
Seite war. Aber die Sorte Mann findet den Berggipfel stets so verlässlich, wie Wasser bergab fließt. Jetzt schmeißt er sich an die Tudors ran, weil sie die Macht haben.« Sie blieb stehen und sah mich an. Dann kam sie näher und flüsterte: »Indem er dich legitimiert, hat er auch deinen Bruder zum legitimen Kind erklärt. Und Henry Tudor weiß, sollte Dickon leben, macht ihn das zum Thronräuber. Ich fürchte, Tudor könnte versuchen, Dickon zu finden und ihn zu töten.«
Ich nahm ihre Hand. »Hast du von ihm gehört?«, fragte ich leise.
»Nein, kein Wort. Doch Tudor hat seine Spione auch überall, und jetzt ist die falsche Zeit.«
Oder wir hören nichts von ihm, weil Dickon etwas zugestoßen ist und sie nicht den Mut haben, es uns zu sagen, ging es mir bang durch den Sinn.
»Mutter, mir macht Sorge, dass ich das Losungswort nicht kenne. Kannst du es mir nicht nennen?«
Sie zog ihre Hand aus meiner. »Damit du es Tudor verrätst?«, zischte sie.
»Ach, Mutter, wie kannst du das nur denken?«, flüsterte ich tief verletzt. »Ich möchte Dickon lediglich erkennen können, falls dir etwas geschieht.«
Sie richtete sich kerzengerade auf.
»Du wünschst mir Schlechtes, ja? Hätte ich mir denken können!«
Ich sah hilflos zu ihr auf.
Dann bückte sie sich wieder und fauchte mir ins Ohr: »Du tust, als wolltest du nicht Königin sein, dabei würdest du meinen Sohn verraten, um deine Position zu schützen!«
Sie drehte sich um und rauschte aus dem Zimmer. Fassungslos, dass sie mir solche schlimmen Dinge unterstellte, sah ich ihr nach, sagte aber nichts mehr. Was würde es nützen?
~
Henry Tudors Krönung war ein prächtiges Ereignis, und der Aufruhr der Feierlichkeiten drang bis in unsere Suite in Westminster. London glitzerte im Sonnenschein, und es fanden Schauspiele, Tanz und Gesang statt. Ich beobachtete das Geschehen von meinem Fenster aus. Strohfeuer brannten in den Straßen, und die gesamte Stadt war auf den Beinen, um einen Blick auf den neuen König zu erhaschen, der auf einer Barkezur Westminster Abbey gerudert wurde. Vom Fluss hallten die Trompeten bis hinauf zu mir. Ich strengte meine Augen an, um die purpurn gewandete Gestalt zu erkennen. Doch dies war aus der Ferne jedoch kaum möglich, zumal mir die Sicht gleich wieder versperrt wurde. Wie opulent die Krönungszeremonie in der Abtei vonstatten ging, ließ sich nur erahnen. Inmitten weißer und grüner Wandbehänge mit reichlich Goldverzierung, roter Rosen und Drachen würde der Mann in Purpur gesalbt und als König Henry VII . gekrönt werden.
Es dauerte nicht lange, bis man uns Einzelheiten berichtete.
»Seine Mutter, Lady Margaret, hat ganz entzückend geweint, sagt man«, erzählte uns Bridgets Amme.
Natürlich ist Margaret Beaufort übergelaufen, als sie sah, wie ihr eigener Sohn gekrönt wurde, dachte ich. Ich konnte nicht umhin, mich zu fragen, wie es sich anfühlte, vor Freude überzuquellen, mitzuerleben, wie die schönsten Träume wahr wurden, und seinen größten, ungeheuerlichsten Wunsch erfüllt zu sehen. Als ich über Lady Beauforts Glück nachdachte, kamen mir die eigenen Verluste, die Gefangenschaften, meine Ängste und die Unsicherheit der Jahre seit meines Vaters Tod umso unglaublicher vor. All das traf mich mit der Wucht eines Schwerthiebes.
»Komm zu mir, Kate!« Ich hielt meiner teuren kleinen Schwester eine Hand hin. Sie kletterte auf meinen Schoß. Ich schloss sie in meine Arme und lehnte die Wange in ihre goldenen Locken. »Ich liebe dich, meine kleine Kate«, flüsterte ich. »Ich liebe dich so sehr!«
~
Am siebten November traf sich der neu gekrönte König mit seinem ersten Parlament und schockierte das Land, indem er zum Gesetz ernannte, was bislang nur ein Gerücht gewesenwar: Er datierte den Beginn seiner Herrschaft auf einen Tag vor der Schlacht von Bosworth und enteignete und klagte jeden des Hochverrats an, der für Richard gekämpft hatte – einschließlich Sir Humphrey Stafford.
»Aber das ergibt überhaupt keinen Sinn«, sagte ich von der Fensterbank aus. »Falls künftig jemand Henry Tudor den Thron streitig machen will, wer wird dann noch für ihn kämpfen?«
Meine Mutter unterbrach nachdenklich ihre Handarbeit, mit der sie auf dem Stuhl neben mir beschäftigt war, neigte sich zu mir und flüsterte: »Das ist gut für uns – wenn Dickon zurückkehrt.« Nachdem sie noch einen Stich ausgeführt hatte, fuhr sie fort: »Henrys Erlass hebt Richards Statuten auf. Du, Elizabeth, bist kein Bastard
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