Elke, der Schlingel
dem abgetretenen Schwanz ist nicht unverdient für dich gekommen! Womit man
sündigt, wird man gestraft, heißt es.“ Elke sah ihren Vater fragend an. Sie
verstand nicht, was er meinte.
„Ach so- -!“ sagte sie dann plötzlich
und wurde rot.
„Ja, ja“, lächelte Vater Tadsen. „Du
hast ein gewisses kleines Schwänzchen mit einer rosa Schleife an die Wandtafel
gemalt, und nun hat ein Schwanz dir selber auch einen Schabernack gespielt.“
„Macht nichts!“ sagte Elke und flitzte
davon.
Kurze Zeit darauf war der zweite Teil
des Festes im Gange, und diesmal saß Elke als Zuschauerin vor der Bühne, und
zwar in der Mitte der vordersten Reihe auf einem tannenumkränzten Ehrenplatz.
Auf diesem Platz hatte vorhin das Stummelschwänzchen gesessen, nun war er von
ihr Elke eingeräumt worden.
Rechts von Elke saß ihre Mutter und an
diese anschließend die übrige Familie Tadsen, und links saß Fräulein Samtleben.
Man hätte meinen können, daß die grauhaarige, freundlich dreinblickende
Lehrerin Elkes Großmutter sei, denn die beiden saßen Hand in Hand.
Vorhin, als Elke gar so zappelig gewesen
war, weil sie nun endlich erfahren sollte, was sich die Klasse während ihres
Krankseins alles ausgedacht hatte, weil sie „beinahe die Rettungsmedaille“
hätte kriegen können, da hatte das Stummelschwänzchen ihre Hand genommen und
hatte sie seitdem nicht wieder losgelassen. Elke war das durchaus lieb, denn
sie freute sich sehr, daß die Lehrerin jetzt immer so nett zu ihr war. Sicher
glaubte sie es jetzt, daß das Wandtafelbild mit der großen Nase nicht böse
gemeint gewesen war. Die Kreide war ja nur so stumpf gewesen — wirklich!
Die Musik spielte eine
Zusammenstellung von Volksliedern, und mehrere Lieder mußten von allen Zuhörern
mitgesungen werden. Auch Elke sang kräftig mit, und sie fand diese ganze erste
Nummer der Spielfolge sehr schön, nur leider ein bißchen zu lang. Sie war
nämlich entsetzlich neugierig auf die Hauptsache des Abends und konnte kaum
erwarten, daß die Theatervorstellung losging, in welcher Ali mitspielte. Ihr
niedlicher, kleiner Ali vom Dom!
Aha! Elke hatte also doch erfahren,
was Katje am zweiten Weihnachtstag durchaus nicht hatte verraten wollen! Es
wurde ein Theaterstück aufgeführt, in dem Ali eine Rolle spielte! Wer hatte
sich denn verplaudert?
Niemand! Nicht einmal Trudl Bremer,
die sonst nie ein Geheimnis bei sich behalten konnte. Die Klasse hatte einen
Schwur getan, daß sie nichts verraten wollte, und niemand hatte diesen Schwur
gebrochen.
Elke hatte selber herausgekriegt, was
sie wußte. Sie hatte da und dort Gesprächsbrocken aufgeschnappt, und bald war
ihr klargeworden, worin die vorbereitete große Überraschung bestand.
Sie mußte aber jetzt noch etwas Geduld
haben, denn die Aufführung kam erst zum Schluß der Spielfolge dran. Die
Kameradinnen waren sehr gründlich und hatten auch für den Festteil, der auf
Elke kam, sechs Nummern haben wollen. Fräulein Weber hatte sie gewähren lassen’
und hatte sich darauf beschränkt, nur dort Wünsche der Kinder zu beschneiden,
wo das durchaus notwendig gewesen war. Wir werden noch davon hören!
In diesem Augenblick betrat Katje die
Bühne und stellte sich vor dem geschlossenen Vorhang auf. Sie sprach ein
Gedicht, und das Gedicht hieß: „Unsere Elke“. In ganz einfachen Worten
schilderte es, wie Elke für ihre verunglückte Gefährtin eingetreten war, und
Katjes weiche, etwas dunkle Stimme machte die Schilderung überaus lebendig.
Elke lauschte aufmerksam. Sie fand es
herrlich, daß ein Gedicht aufgesagt wurde, in dem sie „vorkam“. Wer es wohl
gemacht hatte? Es wurde nichts verraten, aber sie bekam dann doch heraus, daß
Fräulein Samtleben die Dichterin war.
Die Spielfolge ging weiter: Kiki
Lütjens und Erika Hartung spielten vierhändig ein Stück auf dem Klavier vor.
Es fiel leider nicht sehr großartig
aus, was die beiden da zum Besten gaben und auf den Proben immer so gut gekonnt
hatten. Kiki spielte heute abend viel zu schnell, und Erika verhaspelte sich
bei dem Bemühen, ihr nachzukommen und griff dreimal ganz falsche Töne. Aber na,
das Stüde war ein uralter Schmöker von Salonstück und hieß „Lob der edlen
Jungfrau“, wie Kiki sehr vernehmlich vor dem Beginn des Spielens verkündet
hatte. Zu Fräulein Webers Ehre sei gesagt, daß sie das schmalzige Ding nur des
Witzes halber in die Spielfolge aufgenommen hatte. Auch bei der nun folgenden
Darbietung war Nachsicht angebracht. Es folgte nämlich ein
Weitere Kostenlose Bücher