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Elke, der Schlingel

Elke, der Schlingel

Titel: Elke, der Schlingel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Gündel
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Elke hatte so
wenig von ihrem Vater, er war den ganzen Tag über in der Stadt, und es kam vor,
daß das Nestküken schon schlief, wenn er abends spät nach Hause kam.
    Elke hatte oft richtig ein bißchen
Heimweh nach ihrem Vati, und wenn sie sich jetzt so sehr auf Weihnachten
freute, so war es auch mit deswegen, weil der Vater dann ein paar Tage
hintereinander zu Hause war.
    Es wurde ein ganz wunderschöner
Weihnachtsabend.
    Elke war aus ihrem Schlafzimmer auf dem
Diwan ins Wohnzimmer gebracht worden, und nachdem die Mutter mit der kleinen,
silbernen Glocke wie jedes Jahr die Bescherung eingeläutet hatte, war der Diwan
durch die große Flügeltür ins hellstrahlende Weihnachtszimmer geschoben worden.
O wie herrlich war der Tannenbaum wieder! Er war über und über mit schneeweißen
Kerzen besteckt, und Silberkugeln und Engelhaar spiegelten den Glanz der
Flämmchen tausendfach wider. Die Mutter saß am Flügel und spielte „Stille
Nacht, heilige Nacht“, und alle sangen mit, auch Fränzi und Anna und die brave
Reinmachefrau, Frau Jensen. - Dann las der Vater mit seiner tiefen, ruhigen
Stimme die Weihnachtsgeschichte vor, und im Anschluß daran sangen Anke und
Gisela zweistimmig das schönste aller Weihnachtslieder: „Es ist ein’ Ros’
entsprungen...“
    Das war jedes Jahr so. Und jedes Jahr
war es auch so, daß Elke dann ein Gedicht aufsagte. Es war ein etwas
altmodisches Gedicht, das zur Hauptsache aus biblischen Weihnachtsweissagungen
und oft wiederholten Wünschen für das Wohlergehen der ganzen Familie bestand,
aber dieses Gedicht stammte von Elkes Ururgroßvater Hinnerk Detlef Tadsen,
einem Pastor in Nordfriesland, und wurde deshalb in hohen Ehren gehalten. Elke
sagte es, seitdem sie zur Schule ging, jede Weihnacht auf, und vorher hatten
Gisela, Jens, Anke und Ulf es aufgesagt. Und später vielleicht einmal würde es
von Ulfs Kindern gesprochen werden.
    Den Abschluß der kleinen Feier bildete
der Gesang des Liedes „O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende
Weihnachtszeit“, und dann kam die Bescherung.
    Es war nicht Brauch bei Tadsens, daß
die Gabentische überladen wurden. Sie waren wohlhabende Leute, aber den
Geschenken, die die Kinder erhielten, sah man das wenig an. Ein großes Teil erhielt
jedes, und dazu Bücher und verschiedene Kleinigkeiten, die sie brauchen konnten
oder sich gewünscht hatten; das war alles. Elkes „großes Teil“ war diesmal ein
Fahrrad, und sie war überglücklich darüber.
    Die weitaus meisten Geschenke lagen
auf den Plätzen von Fränzi, Anna und Frau Jensen, die alles bekamen, was
FrauTadsen sich im Laufe des Jahres als für sie nützlich und notwendig gemerkt
hatte.
    Machte Fränzi aber Augen, als sie
Schuhe, Kleiderstoff, Wäsche, einen Wintermantel, und was es sonst noch alles
war, vor sich aufgebaut sah!
    Die alte Anna hatte sie nämlich bange
gemacht und ihr verheißen, daß sie sicher nicht allzuviel zu Weihnachten
bekäme, weil sie damals die Mogelei mit der toten Maus gemacht hatte. Aber nun
war das alles gar nicht wahr geworden, was Anna prophezeit hatte. Gott sei Dank
nicht! Fränzi war nämlich ein braves Mädchen und gab ihren Eltern jeden Monat
zehn Mark ab von dem Lohn, den sie verdiente, denn sie waren zu Hause viele
Geschwister. Sie konnte also die Geschenke, die sie erhielt, gut gebrauchen!
    Elke war diese Weihnachten mehr
Mittelpunkt in der Familie, als sie in anderen Jahren gewesen war. Sie war seit
Wochen zum Liegen verurteilt, und die Eltern und Geschwister wußten, daß das
für das springlebendige Kind eine ziemlich harte Prüfung bedeutete. So wurde
Elke von allen Seiten verwöhnt, und wenn sie nicht las, saß ganz bestimmt
jemand bei ihr und spielte irgendein Spiel mit ihr.
    Am ersten Weihnachtstag spielten der
Vater, Ulf und Anke zwei Stunden lang mit ihr „Mensch, ärgere dich nicht!“ Ja,
auch Anke beteiligte sich. Anke war überhaupt die ganze letzte Zeit besonders
nett zu Elke. Sie war früher oft unzufrieden mit der kleinen Schwester gewesen,
jetzt hatte sie sogar zugestimmt, daß Minimax als Haustier anerkannt wurde, und
das wollte wirklich etwas heißen!
    Dachte Anke vielleicht daran, daß sie
die eigentliche Schuld an Elkes Unfall trug? Wenn sie nicht so vergeßlich
gewesen wäre, ihre Handtasche liegenzulassen, wäre Elke ja nicht zurückgelaufen
und hätte sich dann auch kein Bein gebrochen!
    Am Nachmittag des zweiten Feiertages
kam Katje zu Besuch. Sie mußte Elkes herrliches Fahrrad und die Bücher und die
neuen Spiele

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