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Elke im Seewind

Elke im Seewind

Titel: Elke im Seewind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Gündel
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nehmen, wenn nur das ungeschehen gemacht werden könnte, daß sie als Diebin dastehen muß.
    Wer das gequälte Mädel jetzt aufmerksam beobachtete, würde bemerken, wie Lotti Elke immer wieder scheu von der Seite ansieht — wie sie ihr zulächelt und ihr eifrig zustimmt, wenn sie irgend etwas sagt. So wie im Augenblick zum Beispiel, wo Elke es schön findet, daß die vielen schwarzweißen Kühe hier überall frei herumlaufen können und nur durch die Priele in ihren Grenzen gehalten werden.
    Trine weiß gut Bescheid auf der Insel. Viele Verwandte ihres Vaters wohnen hier, und als sie noch nicht zur Schule ging, ist sie immer den ganzen Sommer über bei den Großeltern gewesen. „Da seht ihr überall die Hügel, wo die Häuser drauf stehen“, sagt sie jetzt. „Das sind künstliche Hügel. Warften heißen die.“
    „Alle Häuser, die man sieht, stehen auf solchen Warften“, sagt Katje sich umblickend, „praktisch!“
    „Bestimmt ist das praktisch“, meint nun auch Elke.
    „Wenn die Häuser nicht hoch ständen, würden sie bei Sturmflut ja mitten im Wasser drinstehen.“
    „Das Meer geht bei Sturmflut über die ganze Insel weg?“ fragt Ruth.
    „Beinahe jeden Herbst und Winter“, lautet Trines Antwort. „Und manchmal auch im Sommer. Deshalb hat man ja die Warften gemacht.“
    „Sie sehen aus, als wenn sie Dünen mit Gras darüber wären“, meint Ruth daraufhin.
    „Dünen gibt es auf den Halligen nicht“, sagt Trine. „Die Halligen sind von Natur ganz flache Marschinseln.’
    Die Kinder sind jetzt in der Nähe einer großen Warft angekommen, auf der mehrere Häuser stehen, und es fällt ihnen auf, daß da an einer Stelle ganz dickes, buschiges Grün wächst. Ist das ein so dicht bewachsener Garten?
    „Das werdet ihr gleich sehen, was das ist“, sagt Trine. „Was ganz Wichtiges ist das — fast das Allerwichtigste auf der ganzen Hallig. Jede Warft hat das.“
    Wenige Minuten später haben die Kinder das dichte Grün erreicht und stehen vor einem großen Wasserloch, einem Fething. Die Fethinge sind die größten Kostbarkeiten der Halligen, denn sie enthalten Süßwasser. Es sind tiefe, in die Erde gegrabene Löcher, in denen das Regenwasser aufgefangen wird. Gebohrte Brunnen gibt es auf der Hallig nicht, und das Wasser des Meeres ringsum ist salzig. Was für Mensch und Tier also allein an Wasser zur Verfügung steht, ist der niederfallende Regen. Und wenn es nun mal einen sehr trockenen Sommer gibt, an dem kaum Regen fällt — was dann? Ja, das ist dann ein rechtes Unglück, hauptsächlich deswegen, weil das Vieh dann Durst leiden muß. Die Menschen können sich im Notfall ja mit wenig Wasser behelfen, aber die Kühe, die Milch geben, müssen viel zu trinken haben. Schlimmstenfalls muß Wasser vom Festland herangeschafft werden.
    Die Fethinge sehen wie kleine Teiche aus, und an ihren Rändern wachsen allerlei grüne Pflanzen ins Wasser hinein. Elke wundert sich darüber, daß das auch das Trinkwasser der Menschen ist. Aber so ist das gar nicht. Das Trinkwasser für die Menschen wird aus den Dachtraufen der Häuser in Zisternen aufgefangen.
    „Das ist klar, daß die Fethinge mit auf der Warft liegen müssen“, sagt Katje jetzt. „Sonst könnten sie bei Hochwasser leicht mal voll Seewasser laufen.“
    „Das kommt auch immer wieder vor, trotzdem die Fethinge hoch liegen“, weiß Trine zu berichten. „Es gibt Sturmfluten, die sind so hoch, daß sie sogar die Gärten bei den Häusern überspülen“.
    „Solche Sturmfluten haben doch sogar schon ganze Dörfer weggerissen — ganze große Stücke vom Festland“, erinnert Elke sich jetzt vom Heimatkundeunterricht her.
    „Die Halligen sind nichts weiter als solche übriggebliebene Fetzen vom zerstörten Festland“, bestätigt Trine. — Aber in diesem Augenblick sind die Kinder vor einem der Häuser der Warft angekommen, und Trine sagt:
    „Da gehen wir jetzt rein. Da wohnt meine Tante. Da ist der berühmte Königspesel drin. Der Eintritt kostet was, aber ihr braucht natürlich nichts zu bezahlen.“

    „Ich hab’ auch gar kein Geld mit“, sagt Elke. „Wir fahren heute nachmittag doch schon wieder zurück, und als Mittagessen haben wir Brot und Kaffee mit.“
    „Königspesel? Was ist das?“ fragt Ruth.
    „Was ein Pesel ist, weiß jeder, der kein Esel ist“, antwortet Trine. „Der Pesel ist die Wohnstube in einem
    Friesenhaus. Das hier alles sind Friesenhäuser. Strohdach und vorn über der Haustür noch extra ein kleiner Giebel, damit, wenn

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