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Elke versteht das

Titel: Elke versteht das Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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jeden Abend in den Genuss deiner unglaublichen Nudelgerichte käme.«
    Nun schossen ihr wieder die Tränen in die Augen. Sie musste ihn umarmen. »Und ich dachte schon, es geht dir nur um das Körperliche.
     Das hätte mich gekränkt.«
    Dann landeten sie im Bett. Wie so oft. Nach den Nudeln.
     

DER ADVENTSKRANZ
    Diesmal hatte Schmalenbach einen perfekten Adventskranz gekauft: nicht überladen, aber auch nicht karg, nicht verstiegen,
     aber auch nicht plump, nicht sentimental, aber auch nicht kalt. Ein kleines Kunstwerk mit vier dicken, roten Kerzen.
    In den letzten Jahren hatte es wegen des Adventskranzes öfter Streit gegeben. Angeblich hatte Schmalenbach es sich zu einfach
     gemacht. Im Grunde erwartete Elke jeden Dezember von ihm, dass er den Adventskranz neu erfand. Und das mit dem nötigen Ernst
     und einer der Zeit angemessenen Andacht.
    Elke hatte sich schon vor Jahren aus pädagogischen Gründen entschlossen, das eine oder andere aus der Hand zu geben. Um sich
     etwas zu entlasten, klar – aber auch um Schmalenbach eine Möglichkeit der Selbstbestätigung zu verschaffen. Wie alle Frauen
     war Elke der gesunden Überzeugung, dass die Bewährung bei der Arbeit nicht alles war, was den Menschen ausmachte.
    Deshalb also der alljährliche Tanz um den Adventskranz.
    Dieses Jahr nun hatte Schmalenbach nicht nur mit sichererHand in dem Meer aus vorweihnachtlichem Rauschgold-Kitsch den einzigen geschmackvollen Adventskranz gefunden – eine Mischung
     aus Bauhaus, Art Deco und Philippe Starck. Er hatte auch der Verkäuferin ein zusätzliches Set roter Kerzen abgeschwatzt –
     weil eine Kerze auf dem Kranz angeschlagen war. Die Schilderung von Elkes Reaktion auf eine angeschlagene Kerze auf ihrem
     Adventskranz hatte sie erbleichen lassen. Und das im knallharten Vorweihnachtsgeschäft.
    Schmalenbach fühlte sich als Sieger – ästhetisch und kommerziell. Zu Hause packte er das gute Stück behutsam aus und begann
     mit der nicht einfachen Montage. Es gehörte einiges dazu, einen Adventskranz mit vier Kerzen so herzurichten, dass er Elkes
     Vorstellungen entsprach.
    Schmalenbachs Herz klopfte, als sie nach Hause kam. Noch im Mantel inspizierte sie das Kunstwerk. Dann strahlte sie ihn an
     und sagte: »Ich wusste doch, dass mehr in dir steckt.« Damit war dieser Advent gerettet.
    Beide konnten es kaum erwarten. Als sie dann am dritten Dezember die erste Kerze anzünden durften, geschah das Wunder: Sofort
     waren sie verzaubert. Sie nahmen sich in die Arme und schauten lange auf dieses einfache, warme, gnadenbringende Licht. »Was
     wären wir ohne unsere Wurzeln«, seufzte Elke glücklich.
    »Ja«, sagte auch Schmalenbach. »Das, was wir in der Kindheit Gutes erfahren haben, hält unsere Seelen bis ins hohe Alter zusammen.«
     Und er fällte einen Entschluss: Er wollte in diesen Tagen der Vorweihnacht anders leben als sonst. Nicht den schnellen und
     einfachen Genüssen hinterherjagen, nicht an kurzen Frauenröcken hängen, sich nicht im Kreise oberflächlicher Freunde mit Alkohol
     undwohlfeilen gesellschaftspolitischen Visionen betäuben, sich nicht ablenken von dem, worum es wirklich ging: Von der Gnade,
     die ihm trotz seiner stadtbekannten Unzulänglichkeiten zuteil wurde durch das Weihnachtsfest, das Fest der Besinnung, der
     inneren Ruhe und des Friedens.
    Also würde er zu Hause bleiben, Elkes köstliche Plätzchen knabbern, Äpfel im Backofen backen, Kantaten hören und schweigen.
    Schmalenbach hatte eine CD eingelegt, das Licht gelöscht und die erste Kerze des Adventskranzes angezündet – und Elke fehlte.
     Schmalenbach schaute auf die Uhr. Schon nach acht. Eigentlich müsste sie lange zu Hause sein. Elke trieb sich doch im Advent
     nicht nachts in der Stadt herum. Schmalenbach machte sich Sorgen.
    Irgendwie erschien ihm die Atmosphäre ohne Elke plötzlich kalt und finster. Also zündete er die zweite Kerze auf dem Adventskranz
     an. Schon besser. Aber immer noch nicht wirklich heimelig. Da zündete er die dritte Kerze an. Das schuf ein wärmeres, wohligeres
     Gefühl. Warum nicht gleich die vierte Kerze auch anzünden? Das sah besser aus als dieses unsymmetrische Geflacker.
    Jetzt, wo alle vier Kerzen brannten und der Kranz in seiner ganzen Pracht erstrahlte wie am Ende der Adventszeit, fehlte Elke
     gar nicht mehr so sehr. Schmalenbach stellte die Musik lauter. Bach. Der Choral »Nun machet voran, dass euch die Zeit nicht
     davonläuft«. Schmalenbachs Lieblingschoral. Diesmal sang er laut

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