Elke versteht das
benutzt man aus Versehen unser Wort!
Im Nu wird man schief angesehen. Im Übrigen wäre es auch dir gegenüber nicht fair, wenn ich unser Wort Dritten gegenüber gebrauchen
würde.«
Jetzt befiel Schmalenbach ein quälendes Unbehagen. »Dritten gegenüber? Welchen Dritten gegenüber? Möchtest du etwa fremdgehen?
Mit unserem Wort?«
Elke erschrak. »Nein. Natürlich nicht. Aber ich rede doch mit meinen Freundinnen darüber.«
»Aha. Und welches Wort benutzt ihr dafür?«
Elke hielt erst damit hinterm Berg – aber Schmalenbach gab nicht nach, bis sie gestand. »Carola und ich – wir sagen meistens
miteinander verkehren
.«
» Miteinander verkehren
?« Schmalenbach schüttelte sich. »Du sagst
miteinander verkehren
, wenn du mit Carola Pfeifenberger über Sex sprichst? Ehrlich gesagt: Damit komme ich gar nicht klar. Das klingt so nach Auffahrunfall
und Blechschaden.«
Elke war rot geworden. »Bitte, sag Pfeifenberger nichts davon!«
»Um Gottes willen: Der bringt es fertig und macht es öffentlich. Dann könnt ihr euch nirgendwo mehr sehen lassen. Du und deine
feine Carola.«
Elke grübelte eine Weile. Dann fasste sie sich ein Herz: »Warum tun wir es nicht einfach, anstatt unentwegt darüber zu reden?«
Doch so leicht nahm Schmalenbach die Sache nicht. »Es widerspricht meinem aufgeklärten Selbstverständnis, etwas zu tun, wofür
ich keinen Begriff habe. Ehrlich gesagt: Ich könnte es auch nicht.«
Elke stampfte trotzig mit dem Fuß auf den Boden. »Auch wenn wir uns nicht auf ein passendes Wort einigen können – wir können
ja deshalb nicht damit aufhören.«
»Gut, dann tun wir es jetzt. Aber dann benutze ich auch das Wort dafür, das ich gewohnt bin. Komm, Elke lass uns mal wieder …«
»Untersteh dich!«
»… aber was ist so schlimm daran, mal wieder richtig zu …«
Elke schloss ihm den Mund mit einem Kuss.
Als es vorbei war, lagen sie lange still nebeneinander. Bis Schmalenbach fragte: »Und was haben wir jetzt getan?«
» Es
. Wir haben
es
getan«, gurrte Elke wohlig.
»Da ist ja
flachlegen
origineller«, sagte Schmalenbach.
Elke fuhr hoch. »Mit mir nicht!« Sie schwebte hinaus.
Schmalenbach seufzte. In Zukunft würde es noch schwerer werden.
AUCH FLIEGEN HABEN IHREN STOLZ
Mit Haustieren ist es so eine Sache. Man staunt erst über den Einbruch der Natur in die häusliche Welt, die ja durchweg synthetisch
ist. Aber so ein Tierchen wird schnell zur echten Bereicherung. Man spürt, wie vereinzelt man doch lebt – selbst wenn man
zu zweit ist. Der Mensch braucht eben das Tier neben sich, um die Größe und die Vielfalt der Schöpfung zu erahnen. Er entdeckt
im Tier sein ursprüngliches Selbst, ein Selbst, das er aus beruflichen und privaten Gründen weitgehend unterdrückt hat.
Insofern ist ein Haustier auch ein Lernprozess: Der Mensch kommt gar nicht mehr auf die Idee, sich wie Pfeifenberger als Nonplusultra
der Evolution zu verstehen, wenn er neben sich so ein einfaches und selbstgenügsames Wesen hat, das doch im Einklang mit sich
und dem Sein lebt.
Allerdings hält diese stille Ehrfurcht nicht lange vor. Haustiere haben wenig Respekt vor dem, was ihren Gastgebern lieb und
wert ist. Sie fläzen sich auf dem teuren Sofa und hinterlassen überall Haare. Sie benutzen keine Toilette. Sie kratzen an
den Tapeten. Sie legen ihre Pfoten auf die Tischkante und schlecken aus Schalen und Schüsseln,ohne sich um Tischmanieren zu kümmern. Deshalb waren Schmalenbach und Elke eigentlich gegen Haustiere. »Mal ganz abgesehen
davon, dass ich es herzlos finde, einen Hund oder eine Katze ins Heim zu geben, wenn man im Sommer nach Mallorca will«, sagte
Elke oft – und Schmalenbach war ihr dankbar, dass sie eine menschliche Formel für seine grundsätzliche Abneigung vor zu viel
ungebändigter Natur in seiner Wohnung gefunden hatte.
Dann war eines Tages Puck da. Puck war eine Fliege. Sie summte herum und krabbelte über die Gardine. Da sie ansonsten nicht
aufdringlich war, durfte Puck bleiben. »Das ist jetzt unser Haustier«, sagte Elke. »Im Sommer ist Puck sowieso tot, und wir
können beruhigt nach Mallorca fliegen.«
Schmalenbach war erleichtert, dass Elke ihn nicht zwang, mit einer zusammengerollten Zeitung hinter Puck herzujagen und das
Tier zur Strecke zu bringen. Nicht nur, dass er die blutigen Überreste eklig fand, er war auch nicht der Typ für solche Exekutionen.
Er ließ der Natur gerne ihr Recht, so wie sie das mit ihm ja auch tat
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