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Elke versteht das

Titel: Elke versteht das Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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mit.
    Schmalenbach erlebte die vier Adventswochen im Zeitraffer. Die Einkehr. Die Buße. Die Läuterung. Die Erfüllung. Es war wie
     eine große Tragödie im Puppenhaus. Was für eine Wucht. Und so wahrhaftig. Nichts Vermitteltes.Keine Medien, die die Gefühle auf ihr Format zurechtpressten. Nur klare, unhintergehbare Größen. Gott. Bach. Der Adventskranz.
     Das war wirkliche Größe. Keine Surrogate. Echte Leidenschaften, die man nie wieder vergaß. Draußen drehte sich der Schlüssel
     in der Tür. Zweiundzwanzig Uhr. Na fein. Und das am vierten Advent. Dabei tat sie immer so gefühlig.
    Schmalenbach trat ihr im Flur entgegen. »Wo kommst du jetzt her?!«
    Elke war deutlich angesäuselt. »Das weißt du doch: Wir hatten heute unsere Weihnachtsfeier.« Sie kicherte. »Meine Kollegin
     Bärbel saß auf dem Schoß unseres Personalchefs und hat ihm Eierlikör eingeflößt, obwohl er Bundesvorsitzender der Veganer-Liga
     ist.«
    So konnte man natürlich auch den Advent begehen. Schmalenbach schüttelte sich bei dem Gedanken, dass er früher auch zu solchen
     Feiern gegangen war.
    »Und du? Was hast du gemacht?«, fragte Elke und ging ins Wohnzimmer.
    Sie erstarrte. »Was ist das denn?!«
    Schmalenbach klang feierlich. »Elke, ich hatte einen sehr ungewöhnlichen Abend.«
    Elke wurde rot vor Wut. »Was fällt dir ein, alle vier Kerzen anzuzünden? Wir haben nicht mal den zweiten Advent!«
    Sie rannte zum Tisch und blies hastig alle Kerzen aus. Sie hustete und musste sich setzen. Die Stimmung war dahin. Allein
     war es viel besinnlicher, dachte Schmalenbach. »Man kann dich keinen Augenblick allein lassen«, schimpfte Elke, während sie
     ihre Schuhe auszog. »Wie ein kleines Kind, das mit Streichhölzern spielt.«
    »Es war etwas Mentales. Ich kann nur sagen: Es hat mich verändert.«
    »Was hast du getrunken?«
    »Gar nichts. Ich war einfach nur konzentriert. Auf mich. Auf das Sein. Auf den Advent.«
    »Weihnachten kannst du vergessen. Das Fest ist verdorben, wenn man schon am fünften Dezember alle vier Kerzen angezündet hat.«
    »Du tust ja gerade so, als sei das ein Verbrechen. Im Übrigen habe ich vier Ersatzkerzen.«
    Elke begann zu weinen. »Ersatzkerzen? Was für ein Hohn! Du hast alles zerstört.«
    Schmalenbach war ein Mensch mit Geduld, aber irgendwann war Schluss. Er schlüpfte in seinen Mantel und verließ die Wohnung.
    Die Freunde waren in bester Stimmung. Sie tranken seit Stunden und sangen kubanische Revolutionslieder. Ab und zu erzählte
     einer einen besonders schmutzigen Witz. Da tat sich natürlich Freund Pfeifenberger hervor.
    Schmalenbach fühlte sich sofort wohl. Irgendwann wollte er selbst etwas zur allgemeinen Erheiterung beitragen. »Ihr glaubt
     ja nicht, was heute passiert ist. Elke kommt nach Hause, geht ins Wohnzimmer, sieht den Adventskranz – und bekommt einen hysterischen
     Anfall.«
    Die Freunde bogen sich vor Lachen. Offensichtlich kannte man das Phänomen. Nur Germersheimer fragte: »Aber warum denn?«
    »Weil ich alle vier Kerzen auf einmal angezündet hatte.« Schmalenbach prustete los.
    Die anderen starrten ihn schweigend an. Es herrschte Totenstille. Einige standen auf und wechselten den Tisch.Pfeifenberger schüttelte den Kopf und sagte: »Irgendwo hört der Spaß auf.« Der Abend war gelaufen.
    Schmalenbach versuchte noch den Wirt auf ein Bier einzuladen – der aber lehnte ab. Also ging Schmalenbach in die Nacht hinein.
     Jetzt begannen die düsteren Tage. Advent eben.

DAS WORT
    »Schmalenbach, wir müssen etwas bereden«, sagte Elke kürzlich.
    Sie mussten alle nasenlang etwas bereden. Manche Frauen können nicht sein, wenn sie nicht unentwegt mit ihrem Partner Sachen
     bereden, die viel besser klappen, wenn man nicht darüber redet.
    »Diesmal ist es ernst«, sagte Elke und guckte auch so.
    Eigentlich war es immer ernst, das war ja das Schlimme. Bei Elke gab es keine Unterschiede zwischen einer Debatte über die
     richtige Soße zu den Rigatoni und über ihre Angst vor dem Alter. Beides wurde mit Inbrunst verhandelt, und wenn Schmalenbach
     auch nur die Spur einer Ermüdung zeigte, blühten ihm Sanktionen gastronomischer oder sexueller Art.
    »Es fällt mir nicht leicht, mit dir darüber zu reden.« Elke schlug die Augen nieder, sie war verlegen. Wirklich verlegen.
    Schmalenbach hätte hüpfen können vor Vergnügen: Wann kam es schon mal vor, dass Elke verlegen war? So gut wie nie. Dabei hatte
     er doch gar nichts getan. Er war nur ruhig geblieben und hatte trotz der

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