Ellas geheime Traeume 1&2
sich auf die Vereinbarung mit Moleski eingelassen zu haben.
Die Blätter der üppigen roten Rosen, die Alan ihr am vergangenen Dienstag in die Firma hatte schicken lassen, begannen bereits, trostlos herunterzuhängen. Kurz entschlossen ergriff sie den welken Strauß und beförderte ihn endgültig in die Bio-Tonne. Dann fiel ihr Blick auf Federicos violette Blümchen, denen spätestens am folgenden Tag wohl ein ähnliches Schicksal bevorstehen würde. Vielleicht kann ich sie trocknen, dachte sie auf einmal. Wie ein Teenager umwickelte sie die Stiele mit Geschenkband und hängte den Strauß an eine Gardinenstange, wobei sie über sich selbst lächeln musste. Auf der angefangenen Rotweinflasche in ihrem Kühlschrank las Ella die Worte ‚Montepulciano d'Abruzzo ', und einmal mehr fühlte sie sich an Federico und den vergangenen Abend bei seiner Familie erinnert. Versonnen nippte sie an ihrem vollen Glas und dachte dabei an ihre Umarmung im Schnee und daran, wie sich ihr aufgeregter Herzschlag mit Federicos vereint hatte. In ihrem Bauch begann es bei diesem Gedanken zu kribbeln, und der trockene Wein kam ihr süß vor und ließ sie an Küsse denken von jemandem, dessen sinnlichen Mund sie noch nie berührt hatte. Verträumt und federleicht drückte sie den angewärmten Rand des Glases gegen ihre Lippen.
Bald überfiel sie wieder Ruhelosigkeit, und als sie um kurz nach Mitternacht feststellte, dass Alan ihre E-Mail noch immer nicht beantwortet hatte, ging sie ins Bett. Lange war an Schlaf kaum zu denken; erst nach mehreren Stunden des Hin- und Herwälzens fiel Ella in einen unruhigen Schlummer.
-2-
Als Ella erwachte – oder besser: zu erwachen glaubte – befand sie sich wieder im Maul der riesigen Raubkatze. Sie spürte die scharfen Zähne des Tieres und die Feuchtigkeit seines Speichels, der durch den Stoff ihres Seidenkleids drang. Zweige streiften Ellas Beine und knackten unter den gewaltigen Pfoten, die sich in rasendem Tempo ihren Weg durch das Unterholz bahnten. Plötzlich endete die Dunkelheit vor Ellas Augen; die Kiefer der Raubkatze lockerten sich, und beinahe sanft glitt ihr Körper aus dem geöffneten Maul auf den Waldboden. Sie spürte heiße Atemzüge im Rücken, als sie sich vorsichtig aufrichtete. Nichts wie weg, dachte sie, aber ihr zerschundener Körper konnte mit der Geschwindigkeit ihres Verstandes nicht mithalten. Zu allem Übel trat sie beim Aufstehen auf die Fetzen ihres Kleides und fiel sofort wieder hin.
Ein hässliches Lachen erklang unmittelbar vor Ella. Sie spähte in die Dunkelheit und sah mehrere Gestalten auf sich zukommen, von denen einige in das Gelächter einstimmten. „Was haben wir denn hier?" fragte einer von ihnen, und es klang, als liefe ihm beim Sprechen der Speichel aus dem Mund. Als er näher trat sah Ella, dass diese Annahme tatsächlich zutraf. Sie hielt den Atem an und blickte mit weit aufgerissenen Augen um sich. Die Gestalten, die sie umringten, hätten mit ihrer Businesskleidung eher in ein Büro oder in einen Meeting-Raum gepasst als nachts in einen Wald. Weniger ‚geschäftlich' wirkte jedoch das, was unter den edlen Stoffen hervorlugte: Faulige, sich in Verwesung auflösende Haut, die mit bläulich-braunen Flecken übersäht war. Gesichter mit erstarrtem Ausdruck, schmalen Mündern und breiten Narben. Unter den Jackett-Ärmeln ragten lange, gelbliche Fingernägel hervor. Sie wuchsen aus krummen Fingern, die sich Ella entgegenstreckten.
„Sie gehört euch, Freunde", sagte das Raubtier mit süßlich-schnurrender Stimme. „Das Buffet ist eröffnet!“ Wieder erklang allgemeines, misstönendes Gelächter.
Ella wandte sich reflexartig um, sah jedoch statt einer Fluchtmöglichkeit nur Alans triumphierend glitzernde blaue Augen im Kopf des Raubtiers.
Ihr Rücken verspannte sich, als sie einen schnellen, scharfen Schmerz an ihrem Rücken spürte. Kälte durchfuhr ihren Körper und drang durch das Rückenteil des Kleides, das soeben von einem der Untoten zerrissen worden war, der seine Klaue nach ihr ausgestreckt und einen gezielten Hieb ausgeführt hatte. Ella versuchte noch, sich zu bedecken, doch der Stoff glitt an ihrem schmalen Körper hinab und enthüllte ihre kleinen weißen Brüste, deren Knospen in der Nachtluft hart wurden. Wie milchig glänzende Früchte boten sie sich der gut gekleideten, geifernden Menge dar. Als sie hektisch an den Bäumen entlang sah, wurde ihr klar, dass die Zahl der stöhnenden Gestalten, die zwischen Laub und Ästen zum Vorschein
Weitere Kostenlose Bücher