Elli gibt den Loeffel ab
dem Tod seiner Mutter schlagartig verändert? Roberto war nicht mehr sein Vater, sondern nur noch ein eiskalter Geschäftsmann, der nichts hatte, außer dem schnöden Mammon, dem er sich zum Untertan gemacht hatte.
Ob Anja sich für Mangitutti begeistern könnte? Er hätte diese Köstlichkeit gerne mit ihr geteilt, doch wie es aussah, hatte sie ihn aus ihrem Leben gestrichen. Der Strand war voll mit Schönheiten. Wie vielen interessanten Mädchen war er während seiner Auslandsaufenthalte begegnet? Gerade in der Touristikbranche war es überhaupt kein Problem, interessante Frauen kennenzulernen. Natürlich würde er sich immer wieder verlieben können. Das ging verdammt schnell, doch wie lange hielt dieses Gefühl schon an? Viele seiner Kollegen bevorzugten es, so zu leben. Jemanden kennenzulernen, die Schmetterlinge im Bauch zu spüren, bis deren Flügelschläge sich verlangsamten und schließlich ganz zum Stillstand kamen. Meist blieb dann nichts weiter als gähnende Leere. Im Prinzip bedeutete ein solches Leben nichts weiter, als unentwegt auf Droge zu sein. Sobald die Wirkung nachließ und irgendwann ganz abebbte, hatte der Körper Entzugserscheinungen und suchte nach Ersatz.
Letztlich, so hatte er jüngst in einem Artikel gelesen, war Verliebtheit sowieso eine rein körperliche Angelegenheit. Ein Großteil lief über den Austausch von Duftstoffen, was zur Produktion von Glückshormonen führte.
Paolo musste unwillkürlich schmunzeln, als er ein junges Paar am Strand beobachtete, das sich leidenschaftlich küsste. Sofort lag der Geschmackvoll Anjas Lippen auf seinem Mund. Er vermisste sie und vermochte sich nicht damit zu trösten, früher oder später wieder eine Barbara kennenzulernen. Bei keiner Frau außer bei Anja hatte sich bisher ein Gefühl der Stimmigkeit eingestellt. Er wünschte sich Geborgenheit, jemanden, dem er vertrauen konnte, und keinen neuen Schmetterling. Warum noch länger hier herumsitzen? Vielleicht konnte er dieses Missverständnis aufklären und Anja klarmachen, dass er es mit ihr ernst meinte.
»Hast du Roberto schon Bescheid gegeben?«, wollte Anja wissen, als ihre Mutter aus dem Bad kam.
»Natürlich nicht. Er wird annehmen, dass alles nach Plan läuft, und glaub mir, den Moment, wenn ich ihm den Brief deiner Großmutter unter die Nase halte, werde ich in vollen Zügen genießen.«
Anja lümmelte nach der erneuten Lektüre des Briefes noch immer auf dem Bett im Zimmer ihrer Mutter. Dass sie überhaupt so lange hier verweilte, noch dazu ohne das Gefühl zu haben, sie zu stören, grenzte an ein Wunder. Wann hatten sie und ihre Mutter schon einmal an einem Strang gezogen? Es fühlte sich jedenfalls gut an und hatte ihre Mutter dazu veranlasst, fast wie eine gute Freundin mit ihr zu reden, vor allem über Tante Elli und dass sie die ewige Rivalität zwischen ihnen beiden furchtbar aufregte. Ihre Mutter war dabei offenbar zu dem Schluss gekommen, dass ihre Schwester einen an der Klatsche hatte. Erst Eifersüchteleien, weil sie sich ganz harmlos mit diesem Heinz unterhalten hatte, der Elli nach ihrer Autopanne aufgegabelt hatte, und dann das ganze Theater mit Paolos Vater, dem sie völlig verblendet ins offene Messer gelaufen war.
»Der arme Heinz ist total in deine Tante verknallt, und sie beachtet ihn nicht einmal, weil er ihr nicht gut genug ist. Man will ja immer etwas Besseres, am besten einen capresischen Grafen. Und dem wirft man sich dann an den Hals«, hatte sie mit ziemlich viel Gift in der Stimme über Tante Elli hergezogen.
Vertraute Töne. Ihre Mutter hatte noch nie ein gutes Wort für Elli übriggehabt.
»Mir tut es trotzdem leid, dass Tante Elli jetzt nichts mehr erbt. Sie ist immerhin deine Schwester.«
»Aber sie ist nicht Alessandros Tochter. Damit bin ich, wie wir nun wissen, nur ihre Halbschwester. Punkt!«
»Mensch, Mama. Das spielt doch keine Rolle. Ihr seid zusammen aufgewachsen, und es kann damals nicht alles schlecht gewesen sein. Ich finde, du solltest ihr was von dem Geld abgeben.« Anja fiel es schwer, zu glauben, dass ihre Mutter tatsächlich so herzlos sein konnte.
»Das ist meine Entscheidung.« Immerhin klang ihre Mutter weniger resolut als erwartet.
»Also, ich fände das total unfair.«
»Anja, misch dich nicht in Dinge ein, die dich nichts an-gehen. Ich habe meine Gründe, und zwar triftige.« Mit diesen schon eher vertrauten Tönen nahm sie ihr den Brief aus der Hand.
»Was, wenn dir niemand glaubt?« Irgendwie klang das alles zu schön, um
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