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Elli gibt den Loeffel ab

Elli gibt den Loeffel ab

Titel: Elli gibt den Loeffel ab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tessa Hennig
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ganz sicher, dass Alessandro mein Vater ist.«
    Elli fühlte sich auf einen Schlag bleischwer, und ihr wurde schwindlig. Ein großer Stein, der vor ihr auf dem Weg lag, musste als Sitzgelegenheit herhalten, so flau war ihr auf einmal.
    »Tut mir leid, aber es ist nun mal, wie es ist«, führ ihre Schwester fort.
    Elli holte tief Luft. Was würde noch alles auf dieser Insel passieren? »Was wirst du tun?«
    »Ich werde Roberto mitteilen, dass ich mir einen Anwalt nehme.«
    »Das ist wahrscheinlich das Beste. Heinz war in Neapel und hat sich informiert, was das Grundstück wert ist. Eine Million mindestens, behauptet er.«
    Warum spielte sie Doro diese Information jetzt auch noch zu? War es pure Resignation oder Masochismus, um den Triumph ihrer Schwester auf für sie schmerzhafte Art und Weise noch zu vergrößern? Elli wusste nur zu genau, dass Doro ihr keinen Cent von dem Erbe abgeben würde. All ihre Träume lagen vor ihr am Boden. Sie war am Ende. Immerhin hatte ihre Schwester sich dazu entschlossen, kein Siegerlächeln aufzusetzen. So nachdenklich, wie sie den Mond anstarrte, der sich vor ihnen in seiner vollen Pracht entfaltet hatte, war nicht damit zu rechnen, dass sie ihr noch weitere Seitenhiebe verpassen würde.
    »Der Typ hat uns die ganze Zeit über für blöd verkauft«, stellte ihre Schwester fest.
    Was blieb ihr anderes übrig, als in tiefer Resignation zu nicken.

    Engländer tranken Gin. Roberto hasste Gin. Etwas anderes war aber nach dem ausschweifenden Limoncello-Fest, das seine Alkoholvorräte ziemlich dezimiert hatte, in seinem Arbeitszimmer nicht mehr ad hoc verfügbar. Der Gin schmeckte scheußlich. Viel zu süß! Aber er zeigte Wirkung. Ein ideales Getränk, um das Gehirn zu betäuben. Kein Wunder, dass die Engländer das Zeug so mochten. Sie saßen auf einer Insel, auf der es monatelang regnete. Was sollten sie sonst tun, um das furchtbare Klima zu ertragen?
    Welche großen Hoffnungen hatte er auf Paolo gesetzt. Sein Hotelimperium hätte er dem Jungen zu Füßen gelegt. Was für ein undankbarer Kerl und noch dazu ein sturer Bock. Immer gegen alles, was der Herr Papa sagte und tat. Ein Wunder, dass Paolo sich überhaupt auf ein Studium der Touristik eingelassen hatte — auf sein Geheiß natürlich. Aber der Schein war trügerisch. Öko-Hotels wollte der Junge bauen. Was hatten sie seinem Sohn da bloß für einen Mist eingetrichtert, noch dazu auf seine Kosten? Der Abend war auf alle Fälle gelaufen. Paolo hatte ihn verlassen, genau wie seine Frau. Im Prinzip waren die beiden ein Menschenschlag: undankbar bis ins Mark. Da hatte er ein Leben lang geschuftet — natürlich für die Familie, für wen denn sonst? — , und was bekam er zurück? »Ich verlasse dich!« Undankbar! Nur noch undankbar!
    Dennoch tat es weh. Es tat sogar immer mehr weh, und bald wurde der Schmerz schier unerträglich. Auf einen Schlag ertappte er sich dabei, dass er feuchte Augen bekam. Allein! Für den Rest seines Lebens würde er allein sein. Hatte er es am Ende sogar verdient? Paolo war alles, was er noch hatte. Der alte Schmerz kam wieder hoch. Die alten Schuldgefühle. Wenn er sich mit Sofia nicht so gestritten hätte, wäre sie niemals mit dem Wagen verunglückt. Sie war so wütend gewesen, dass sie anscheinend viel zu schnell auf der engen Serpentine hinunter zum Hafen gefahren war und dem entgegenkommenden deutschen Touristen nicht mehr rechtzeitig hatte ausweichen können. Tot!
    Letztlich war es seine Schuld gewesen, einzig und allein seine Schuld. Sofia schien ihn von der gerahmten Fotografie, die auf der Vitrine neben seinem Schreibtisch stand, direkt anzusehen. Was für ein alberner Streit das damals gewesen war. Warum hatte er nur darauf bestanden, dass sie ihre Kunstgalerie standesgemäß im besten Teil Capris eröffnen sollte und nicht in dem alten, halb verfallenen Haus am Stadtrand, wohin sich kein Mensch verlaufen hätte? Dass Sofia an diesem Haus hing, war ihm damals gleichgültig gewesen. Paolo hatte recht. Es war ihm einzig und allein um seine Interessen gegangen. Die Angst vor dem Gerede, warum die Frau von Roberto de Andre sich keine angemessene Galerie leisten konnte. Wie dumm er doch gewesen war. Nun war er für immer allein, mit all seinen Hotels. Für immer! Noch ein Glas Gin, so süß es auch schmeckte. Sorgen ertränken, ersticken, nur nicht mehr an die Fehler denken, die vielen Fehler, ein erdrückendes Fass voller Fehler, für die er jetzt büßen musste.

    Elli saß allein auf den Stufen,

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