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Elli gibt den Loeffel ab

Elli gibt den Loeffel ab

Titel: Elli gibt den Loeffel ab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tessa Hennig
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eingeschlafen. Dass Anja bei Doros Qualitäten als Mutter den entscheidenden Brief hatte verschwinden lassen, war schier unglaublich, aber angesichts von Doros Reaktion auf ihre Pläne auch nachvollziehbar. Vermutlich hatte Anja ihre Chancen auf die Pension höher eingeschätzt, solange sie eine wohlwollende Tante als Miterbin an der Angel hatte. Was für ein verrückter Tag. So gut wie alles war mit einem Mal förmlich auf den Kopf gestellt. Ob sie Frieda wieder mal einen Brief schicken sollte? Sich den heutigen Tag von der Seele zu schreiben, würde ihr sicher guttun. Andererseits würde sie Frieda damit nur belasten. Helfen könnte die Freundin ihr sowieso nicht. Trotzdem spürte Elli, dass sie mit diesen quälenden Gedanken nicht einschlafen konnte. Wofür hatte man denn ein Tagebuch?

    Ich mag keine Filme ohne Happy End. Ich bin keine Heldin in meinem Film, noch nicht einmal eine Antiheldin. Es fängt für mich nicht gut an, und es hört noch viel schlimmer auf. Antihelden bekommen normalerweise am Schluss immer die Belohnung für ihren Weg durch tiefe Täler. Sie lernen und ernten. Die Bösen verlieren. In meinem Film bekommen die Bösen die Belohnung. Das Schicksal meint es gut mit ihnen. So etwas gibt es nur im Leben, in meinem Leben. Im Kino geht dann immer das Licht, an. Der Vorhang fällt und verdeckt die Leinwand. Aufstehen und gehen! Mein Film läuft aber weiter, und meine Rolle gefällt mir ganz und gar nicht. Ich habe den Menschen, der es gut mit mir meint, mit Füßen getreten und mich von einem dunklen Prinzen bezirzen lassen. Für so schlechte Filme gibt es keine Fortsetzung. Also doch lieber gleich aufstehen und gehen?

Kapitel 16

    Bis zum Hafen war es von der kleinen Pension, in der Paolo sich gestern ein Zimmer genommen hatte, ein recht kurzer und bei dem frischen Wind vom Meer sicher ein angenehmer Spaziergang. Paolo wusste, dass er von jetzt an den Gürtel enger schnallen musste. Bisher hatte sein Vater so gut wie alles für ihn bezahlt und immer nur das Beste, auch wenn es gar nicht notwendig gewesen wäre. Ein Zwei-Zimmer-Apartment mit Blick auf den Central Park war zwar etwas sehr Schönes, aber er hätte viel lieber auf dem Campus der Partneruniversität in Brooklyn gewohnt. Was nützte ihm der tolle Ausblick auf den Park, wenn das Campusleben an ihm vorbeizog und er auch noch als der reiche Schnösel dastand. Sein Vater hatte nie begriffen, dass Geld für ihn überhaupt keine Rolle spielte. Der finanzielle Aspekt, der mit dem endgültigen Bruch einhergehen würde, war also durchaus verkraftbar. Ganz im Gegenteil. Die neue Situation hatte sogar etwas Befreiendes.
    Auch wenn er noch genügend finanzielle Reserven hatte, um bis zur Disputation seiner Doktorarbeit allen Verpflichtungen nachzukommen, und danach mit Sicherheit einen gutbezahlten Job finden würde, war ihm auf dem Weg zur Strandpromenade nach etwas Einfachem. Mangi tutti war eines jener Armengerichte, Fastfood für die Capresen sozusagen, nach dem er nun bewusst Ausschau hielt. Kleine, frittierte Fische, die man im Ganzen verspeiste. Eine heimische Delikatesse, die ihm umso besser schmeckte, weil sein Vater sie nie aß. Dass Paolo das Gericht schon am Vormittag bestellte, hatte den Ober erstaunt, aber wenn man am Vorabend vor Aufregung nichts mehr zu sich genommen hatte, war eine reichhaltige Portion des capresischen Traditionsgerichts jetzt genau das Richtige.
    In dem einfachen Hafenrestaurant zu sitzen und dem Treiben der Passanten zuzusehen, sich wie ein ganz normaler Student vorzukommen, dem nicht mal eben schnell eine Yacht zur Verfügung stand, fühlte sich einfach nur gut an. Was den persönlichen Verlust betraf, so war Paolo sich nicht sicher, ob die Erleichterung, endlich etwas lange Überfälliges ausgesprochen zu haben, lange anhalten würde. Es tat überraschend weh, als er einen kleinen Jungen an der Hand seines Vaters am Strand entlangspazieren sah. Der Junge musste um die vier Jahre alt sein, wirkte noch etwas tapsig und lief stolz neben seinem Vater her. Fürsorglich ließ er sich von ihm Schwimmflügel anlegen und rannte dann ausgelassen neben ihm ins Wasser.
    Es war der gleiche Strand, den Paolo seit seiner Kindheit kannte. War es überhaupt möglich, den eigenen Vater ein für alle Mal aus seinem Leben zu streichen? Mit der Erinnerung ging es sicher nicht, aber dies wollte er auch gar nicht. War sein Vater überhaupt noch der Mann, mit dem er gute Erinnerungen verknüpfen konnte? Hatte er sich nicht just nach

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